Heute möchte ich über eines meiner größten Probleme schreiben: Über den Kampf um Fokus, Klarheit und Selbstführung, wenn man hochsensibel ist. Von außen sieht es oft so aus, als hätte ich endlose Energie. Ich renne herum wie ein Wiesel und mache und tue. Die Wahrheit ist in meinem persönlichen Fall aber: Mir geht es gar nicht immer gut dabei!

Kennst du das Gefühl, wenn dein Kopf einfach keine Ruhe gibt?
Wenn er dich den ganzen Tag mit Gedankenfetzen, Ideen und Eindrücken bombardiert? Sodass du das Gefühl hast, eine Horde Hummeln in dir zu haben, aber jede von ihnen will in eine andere Richtung? Das schlaucht so dermaßen!

„Powerfrau“, sagen sie. Aber wenn ich nicht aufpasse, gleiche ich eher einem Motor mit dem Wirkungsgrad Null. Energieverlust ohne Ende.

Ich bin eine Getriebene. Und ich habe meinen Verstand an manchen Tagen ganz und gar nicht unter Kontrolle. All die Energie, die Menschen von außen sehen, ist mitunter der ungesunde Motor der inneren Unruhe. Eine Unruhe, die von zu viel Stimulation durch äußere Reize entsteht. In meinem Gehirn sind quasi zu viele Tabs offen und dann fängt mein Motor an zu stottern; sprich, meine Energie geht den Bach runter. Von außen sieht man eine hochkreative und kommunikative Person – und nach einigen Stunden liegt dieselbe Person leer genuckelt und lethargisch im Bett.

Manchmal bin ich schon nach 2 Stunden Arbeit so gestresst, dass ich mich kurz hinlegen muss. Und das liegt nicht an meiner Arbeit. Ich selbst bin der Grund. Genauer: mein Kopf, der alles ungefiltert reinlässt. Alle Eindrücke, Reize, Bilder, Gefühle, Gerüche. Alles eben. Wer kann schon still sitzen, wenn es so viel zu sehen und zu verarbeiten gibt, weil alles auf einen einströmt?

Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität ist ein neurophysiologisches Phänomen, bei dem Betroffene Sinnesreize intensiver wahrnehmen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Sie verarbeiten Reize stärker und tiefer, sind aber auch schneller überreizt. 

Ist Hochsensibilität eine Krankheit?

Nein, Hochsensibilität ist keine Krankheit! Stell dir Sensibilität eher wie ein Spektrum vor, auf dem wir alle uns bewegen. Es ist ein Charaktermerkmal, das weder positiv noch negativ sein muss. Bei mir ist es so, dass ich schon immer zur inneren Unruhe neigte. In Kombination mit einer hohen Sensibilität fühlt sich das so an: Ich habe das, was man im Volksmund verniedlichend als „Hummeln im Hintern“ bezeichnet. Aber glaubt mir, es sind Killer-Hummeln.

Zumindest, wenn man es nicht schafft, sie zu kontrollieren und in eine einheitliche Bahn zu lenken. Die Führung eines strukturierten Tagesablaufs, eine reizarme Umgebung beim Arbeiten und viel Bewegung helfen mir, Stress abzubauen. Ich habe ständig Ideen, bin immer am wuseln, tüfteln und grübeln. Ich arbeite erfolgreich gegenan und lerne – aber es ist eben auch ein Kampf. Meine Strategien, meine gute Organisation und meine wertvollen Alltagsroutinen sind ein Ringen um Fokus. Sie sind mein Mittel, die Unruhe und das laute Rattern in meinem Kopf auszubalancieren.

Die Konsequenz von mangelnder Abgrenzung?

Wenn man seine Aufmerksamkeit nicht selbst steuert, steuert sie einen eben. Alles schwappt rein und will verarbeitet werden. Mein Gehirn kommt nur leider oft gar nicht wirklich hinterher. Reiz – Reaktion, Reiz – Reaktion, Reiz – Reaktion. Stell es dir so vor: Jemand steht vor dir und schnipst ununterbrochen mit den Fingern vor deiner Nase herum, um deine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Und du machst dazu fleißig Männchen. Hier ein Gedankenfetzen, dort eine spannende Szene. So ist es mitunter, wenn ich unter vielen Menschen bin oder wenn mein Schreibtisch nicht aufgeräumt ist. Manchmal ist von außen betrachtet auch alles bestens und irgendwas stimmte schon beim Aufstehen nicht. Manchmal blicke ich da selbst nicht durch.

Fakt bleibt aber: Wenn ich es nicht schaffe, meinen Fokus zu bündeln und den Rest auszusperren, werde ich nach einigen Stunden leicht „wahnsinnig“. Dieser Wahnsinn äußert sich bei mir in überdrehtem, fahrigen Verhalten. Ich stolpere schneller und hole mir irgendwo einen neuen blauen Fleck, alles dreht sich in meinem Kopf – manchmal bekomme ich Kopfweh und manchmal sitze ich auch einfach nervös gackernd in einer Ecke. Letzteres wäre dann die extreme Form von Überreizung.

Das Ziel? Meinen Verstand trainieren.

Dieser Artikel ist demnach nicht als Klage zu verstehen, sondern lediglich als kleiner Einblick in meinen Kopf, der Blick unter die Motorhaube, wenn man so will. Bei allem, was ich eben beschrieben habe, gilt: Viel zu sehen und zu empfinden ist nichts Schlechtes. Man muss nur lernen, richtig damit umzugehen.

Nun könnte man natürlich einfach sagen „dann schalte halt alles nervige aus und zieh dich zurück“, aber so funktioniert das Konzept Leben ja nicht! Und es ändert ja auch nichts am Grundproblem: Nämlich, dass ich es schaffen muss, meinen Verstand und meine Aufmerksamkeit zu lenken. Selbstführung lautet das Zauberwort.

Den Körper kann man trainieren, also muss das mit dem Verstand doch auch funktionieren!

Folgst du mir schon auf Instagram? Hier teile ich meine Erfahrungen mit der Sensibilität und was ich mache, wenn ich mich wie vom Laster überrollt fühle…

Ich habe 99 Probleme, aber 85 davon sind ausgedachte Horror-Szenarien, die eh nie eintreffen…

5 Tipps, um Überreizung vorzubeugen

Ich habe eine Menge ausprobiert und festgestellt, dass es sehr einfache Dinge sind, die erden und beruhigen. Achtung Spoiler: Fernsehen gehört schonmal nicht dazu.

Vielleicht hast du es schon selbst beobachtet: Solange der Fernseher läuft, ist deine Gedankenwelt ruhig. Wenn du ihn ausschaltest, ist aber alles wieder da. Vielleicht sogar noch lauter als vorher. Genauso geht es mir auch und ich weiß auch, warum das so ist. Fernsehen ist keine echte Entspannung. Ein hochsensibler Geist bekommt dadurch nur noch mehr Input, den er zu verarbeiten hat. Nichts mit Ruhe also – sondern noch mehr Arbeit.

#1: Einen guten Podcast-Tipp möchte ich an dieser Stelle weitergeben: Maria Anna Schwarzberg spricht in ihrem Podcast „Proud to be Sensibelchen“ über Hochsensibilität und wie man es lernt, auf sich zu hören und die Gedanken zu beruhigen. Ich war vor einiger Zeit auch selbst bei ihr im Interview zu Gast.

Ganz neu und empfehlenswert ist ihr Buch: „We are proud to be Sensibelchen“, zu dem ich gemeinsam mit 10 weiteren Autor*innen ebenfalls eine Geschichte beitragen durfte. Ein Buch von Sensibelchen, für Sensibelchen. Weil es in einer lauten und schnellen Welt nicht immer einfach ist, als sensibler Mensch zu bestehen und dabei sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Wir stehen mit dir dafür ein, dass es okay ist, ganz viel zu fühlen.

#2: Auch immer hilfreich, wenn man 30 Minuten im Alltag erübrigen kann: Spaziergänge zwischendurch. Keine unnatürlichen Geräusche und Töne, sondern Vogelzwitschern und das Rascheln der Blätter. Alles ist klar und reduziert.

#3: Achtsamkeit in 6 Minuten: Kennst du das 6-Minuten Journal? Es stützt sich auf die neusten Erkenntnisse der positiven Psychologie und hilft mir täglich dabei, mich zu sammeln und meinen Fokus bewusst auf Dinge zu lenken, die mir guttun. Wie ich es für meinen Alltag nutze, erfährst du hier: So funktioniert das 6-Minuten-Tagebuch.

#4: Body Scans (gibt es vielfach bei Youtube und die Techniker Krankenkasse bietet auch eine kostenlose Datei zum Download an). Dabei legt man sich mit dem Rücken auf seine Sportmatte und übt, mit der eigenen Aufmerksamkeit ganz bei sich selbst zu bleiben. Man spürt schrittweise in den Körper hinein – von den Füßen angefangen bis zum Kopf. Dabei wird man mit der Zeit ganz schwer und schläfrig, was ungemein entspannend ist, wenn man sonst eine Ballermann-Party im Kopf hat.

#5 Atemübung für den „Notfall“. Eine hilfreiche SOS-Übung, die ich vor kurzem kennengelernt habe, heißt so: „4711“ (wie Kölnisch Wasser). So geht es: Atme 4 Sekunden ein und 7 aus. Das Ganze wiederholst du 11 Mal. Diese Übung entschleunigt und kann bei vielfältigen Problemen helfen. Zum Beispiel, wenn du nachts Probleme mit dem Einschlafen hast, vor einem aufregenden Termin stehst oder scheinbar grundlos aufgekratzt bist. (Quelle: AOK Gesundheitskasse)

Übrigens: Mein Kopf und ich waren 2018 bei einem Intensiv-Kurs für Autogenes Training. An zwei Tagen habe ich gelernt, mich selbst zu beruhigen und mich gegen den Wust an Informationen und Eindrücken abzugrenzen. Man muss autogenes Training regelmäßig üben, auch wenn gerade gar kein Stress da ist. So wird das Unterbewusstsein trainiert. Mir bringt es sehr viel.

Erkennst du dich hier selbst wieder? Lass mir unbedingt deine Erfahrung in den Kommentaren da!

Intuitiv Netzwerken

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Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität ist ein neurophysiologisches Phänomen, bei dem Betroffene Sinnesreize intensiver wahrnehmen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Sie verarbeiten Reize stärker und tiefer, sind aber auch schneller überreizt.

Ist Hochsensibilität eine Krankheit?

Nein, Hochsensibilität ist keine Krankheit! Stell dir Sensibilität eher wie ein Spektrum vor, auf dem wir alle uns bewegen. Es ist ein Charaktermerkmal, das weder positiv noch negativ sein muss.

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