Bianca Jankovska, auch bekannt als die groschenphilosophin, beschreibt sehr anschaulich, was es mit einem macht, wenn man jahrelang gegen sich selbst arbeitet. Was du von ihr lernen kannst? Egal, ob du angestellt oder selbstständig, von Natur aus eher laut oder leise bist – niemand dankt dir dafür, dass du versuchst, möglichst genau in ein Raster zu passen. Bianca beschreibt, wie sie ihren eigenen Weg als Autorin gefunden hat – und warum du deinen ebenfalls finden solltest. – Viel Freude beim Lesen!

Als ich mit dem Schreiben begann, ich muss ungefähr 16 Jahre alt gewesen sein, versprach ich mir davon keinen großen Berufsaussichten. Wer vom Schreiben leben wollte, erklärten mir Menschen, musste Journalistin werden. Verwandte und Lehrerinnen, die mich zu Investigativ-Seminaren schleppten. Klassenkolleginnen, die sich an Journalismus-Studiengängen bewarben und morgens nichts lieber taten als Vaters Zeitung zu verschlingen, während ich MTV schaute und meine Fingernägel lackierte.

Obwohl ich als Introvertierte nie besonderen Spaß daran hatte, andere mit Hintergedanken zu interviewen und ihnen intime Details für eine „gute Gschicht“ zu entlocken, redete ich mir ganz, ganz lange ein, wie ebendiese Kolleginnen werden zu wollen. Eine richtige Journalistin, die stundenlang in Bibliotheken recherchiert, Erklärbärin für 65-Jährige Digital-Dinosaurs spielt und bei Greenpeace Rumänien anruft, wenn’s brennt. Ich absolvierte ein Praktikum im Außenpolitikressort einer großen Tageszeitung, das ich hasste. Und ich schrieb mittelaufregende Berichte für Medien, die nicht zu mir passten, weil es der für mich einzig denkbare Weg war, um mit meiner Stimme irgendwann so etwas wie „Erfolg“ zu haben.

So fühlt sich also arbeiten an.

Ich war weder besonders gut, noch besonders schlecht. „So“, sagte ich mir. „Fühlt sich arbeiten an. Lästig.“ Selbst meinen Blog groschenphilosophin gründete ich 2014 mit der Aussicht auf einen späteren Posten im Medienbiz, statt mich der Freude am Kreiren hinzugeben und abzuwarten, wie sie sich entwickelt. Dass ich auch anders gehört werden konnte, kam mir damals nicht in den Sinn. Ich war davon besessen, etwas gesellschaftlich Anerkanntes zu tun. Einen „richtigen“ Beruf auszuüben. Kein Wunder, gelten doch auch heute noch in Deutschland, Österreich und der Schweiz viele Blogs trotz ihrer Popularität als unglaubwürdige Quellen. Und DIY-Autoren als minderbemittelte Idioten, die es nicht zu etwas Besserem (ergo: einem Medienhaus) geschafft haben, selbst wenn sie dort im Schichtdienst ihre Kreativität abbauen.

Zu glauben, dass wir uns in der Medienöffentlichkeit in einem hierarchielosen Zaubergarten befinden, in dem jeder und jede, unabhängig von Position, Ausbildungsgrat und in lähmenden Karriereleiter-Jobs verharrten Überstunden respektiert wird, ist naiv. Es gibt viele ungeschriebene Regeln und Fallen, in denen sich Quereinsteiger wie ich in Hoffnung auf ein wenig Anerkennung verheddern.

Instagram existierte noch nicht, damals 2011. Crowdfunding oder Self-Publishing klangen wie gefährliche Begriffe aus den USA. Ich fing schon als Studentin an, mich schlecht zu fühlen. Ich war nicht Fisch, nicht Fleisch. Weil ich nicht handelsübliche Meldungen über Tagespolitik, sondern über das Recht auf einen schlechten Musikgeschmack schreiben wollte. Weil ich mich mehr für persönliche Essays und autobiografisches Storytelling interessierte als die letzten Wahlanalysen von Katalonien. Weil ich nicht dazugehören würde, zu den Top-30-unter-30-Platzierten. Weil ich nicht wusste, was ich wollte.

Bis mir vor einem Monat folgende Geschichte passierte. Ich war gerade im Urlaub, als eine Anfrage von einem renommierten Medium in meinem Posteingang landete. Eine dieser Mails, auf die ich mit 22 gewartet und mit 26 lieber verzichtet hätte. Ich sollte für eine relativ aufwändiges Feature vier Menschen interviewen, Studien heraussuchen und das fertige Stück in fünf Tagen abgeben. Dafür bekäme ich auch eine kleine Autorinnenbox zum Heftbeginn und 300 Euro.

Mein Ego machte einen Hüpfer. „Hah!“, dachte es. „Jetzt rennen sie dir doch nach. Jetzt bekommst du endlich all die Anfragen, auf die du so lange gewartet hast.“

Nur… die Anfragen heute kommen zu spät. Ich habe mich und meine Schreibe längst weiterentwickelt. Ohne es laut auszusprechen akzeptiert, dass ich keine klassisch schreibende und nach Dienstplan arbeitende Journalistin sein möchte. Ich schrieb immer noch gerne, aber mein Fokus hatte sich auf ausgewählte Kolumnen, Essays und allen voran Bücher verlagert – weg von langwierigen Features und schlechtbezahlten Coverstories. Meine letzte Titelgeschichte Anfang 2017 hatte mich fünf Tage Arbeit und 0 % Spaß gekostet und wurde mit 150 Euro honoriert.

Wie ich sechs Jahre gegen mein Bauchgefühl gearbeitet habe, um als „richtige“ Journalistin zu gelten. Foto © Melanie Ziggel #nein #sagen #lernen #selbstvertrauen #bauchgefühl #freiheit #arbeit #beruf

War es das, was ich mir für meine Zukunft wünschte?

Nein. Dabei geht es bei dieser Erkenntnis nicht nur ums Geld. Statt auf mein Bauchgefühl zu hören und solche Anfragen in den Papierkorb zu schieben, hat es anderthalb Jahre Selbstständigkeit als Autorin gebraucht, um mir einzugestehen, was ich wirklich gerne mache. Ich wollte alles haben vom Buffet. Sushi und Chicken Tikka Masala und Schnitzel mit Pommes und Brokkolicremesuppe, weil es da stand. Weil es möglich war. Und wer etwas angeboten bekommt, sagt auch nicht „Nein“, denn das wäre unhöflich. Richtig? Falsch. Ständig überall mitzunaschen und in derselben Woche Captions, Blogbeiträge, Podcast-Gastbeiträge, Newsletter und klassische journalistische Arbeit zu vollführen hat mich übersättigt, ent-fokussiert. Es hat mich von dem abgebracht, was ich machen möchte und zwar täglich, weil ich damit beschäftigt war für Auftraggeber an Projekten zu arbeiten, die besser zu anderen passten.

Gerade jungen Selbstständigen wie mir wird oft eingeredet, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die man bekommt. Niemand sagt uns, dass wir auch den Mut haben müssen, uns im richtigen Moment abzuwenden.

Ich hätte längst einen eigenen Podcast, hätte ich mich im letzten Jahr nicht von meinem Ego und einstigen Wunsch-Auftraggebern einlullen und bequatschen lassen. Wahrscheinlich hätte ich 5000 mehr eigene Follower, hätte ich mir zwei Jahre früher eingestanden, am liebsten mein eigenes Ding auf meinen eigenen Kanälen zu machen und mich durch Buch- und Univerträge zu finanzieren. Ich wäre nicht eifersüchtig auf meine Freunde gewesen, die genau das selbstbewusst taten. Ich hätte nicht gleichzeitig auch noch auf die Veranstaltungen geschielt, zu denen ich nicht eingeladen wurde. Weil ich nicht wusste, was ich wollte – unabhängig von der Anerkennung der anderen, dem berufsimmanenten Prestige-Faktor – habe ich mich selbst behindert. Und ich habe ziemlich sicher auch mal jene enttäuscht, die dachten, ich hätte ihren Auftrag gerne gemacht.

Jedes “Nein” trage ich stolz mit Edding ein.

„Nein“ zum x-ten Treffen für ein Projekt, hinter dem ich nicht zu 100 % stehe. „Nein“ zur zeitraubenden E-Mail, die nirgends hinführt und mich nur Energie kostet. Inzwischen hängt eine lange „No“ neben einer langen „Yes“-Liste in meinem Wohnzimmer, mittels derer ich jeden neuen Auftrag neu bewerten und einordnen kann. Erfüllt die Anfrage kein Kriterium meiner Yes-Liste und bringt mich auch nicht in die Nähe meiner Vision, wird sie in Zukunft abgelehnt, statt aus Pflichtgefühl angenommen.

Ein Beispiel dafür sind schlechtbezahlte Print-Publikationen ohne Exposure. Ganz lange hatte ich Angst, gerade zu Beginn meiner Selbstständigkeit, dass ich alles annehmen muss, um nicht vergessen zu werden, ohne zu erkennen, dass ich mit den „falschen“ Publikationen weitere „falsche“ Publikationen anziehen würde. Meinen Podcast? Plane ich gerade selbst. Nach meinen eigenen Interessen, auf meine eigene Audience abgestimmt – ohne Geldgeber im Nacken. Neue Buchprojekte? Schon in the making.

Trotz des vielen Hin- und Hers dieses Jahr ist mir eines gelungen: Menschen auf meine Arbeit aufmerksam zu machen, die sie brauchen.

Ich habe mich zu einer eigenen Marke entwickelt, in die ich auch künftig mehr Energie und Persönlichkeit buttern möchte als in jeden x-beliebigen Side-Hustle. Um jungen Frauen zu zeigen, dass sie nicht nach den Lebensidealen anderer leben müssen. Es ist nicht schlimm und es tut auch nicht weh, keine „richtige” Journalistin geworden zu sein. Lasst euch nicht einreden, was „richtig“ und was „falsch“ ist, nur, weil ihr euren eigenen Weg geht und andere ihn nicht verstehen.

Es ist sogar sehr schön, woanders gelandet zu sein mit der Schreiberei und es ist befreiend, dieses Kapitel nach sechs Jahren endlich der Vergangenheit angehören zu lassen. Mich nicht mehr mit meinen alten Ansprüchen an mich selbst beschäftigen und messen zu müssen.

Für manche ist der Journalismus das Endgoal ihres Karrierebestrebens. Für mich? War es ein lehrreicher Anfang. Ein Stepping-Stone, der nötig war, um hier und heute das zu tun, was ich mit meiner ganzen übriggebliebenen Leidenschaft möchte.

Das Millennial-Manifest

Bianca Jankovska: Das Millennial-Manifest #buchtipp #empfehlung #millenialsBianca studierte Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität Wien und Antwerpen. Im Anschluss war sie ein Jahr am Aufbau der Redaktion Bento für Spiegel Online beteiligt. Ihre Arbeiten sind bisher auf Zeit Online, ze.tt, watson.ch, Refinery29, der Wiener Wochenzeitung Falter, im Progress Magazin, The Gap, Mit Vergnügen und zahlreichen weiteren Print- und Online-Magazinen erschienen. Sie lebt als freie Autorin, Kolumnistin und Social-Media-Konzepterin in Berlin.

Am 23.10.2018 ist ihr erstes Buch beim Rowohlt Verlag erschienen:

„Wir sind im Glauben groß geworden, uns stünden die Türen offen, wenn wir nur lange genug dagegentreten.“ Bianca schreibt eine schillernde, provokante, wortgewandte Abrechnung mit der Gesellschaft, sie wettert gegen prekäre Arbeitsverhältnisse, ignorante Gleichaltrige und überhaupt, das menschliche Dasein als solches und bringt in ihrem Buch das Lebensgefühl der Millennials auf den Punkt. Schließlich ist es heute leichter, mit schönen Fotos auf Instagram den Schein eines selbstbestimmten #feelgood-Lebens vorzugaukeln, als für unsere Rechte einzustehen: für das Recht auf ein vernünftiges Gehalt beim ersten Job, für das Recht auf eine Antwort des Tinder-Dates und für das Recht, Social Media auch mal abzuschalten. Kämpferisch und unterhaltsam hält sie sich selbst und ihrer Generation einen Spiegel vor – und fragt, wann genau uns Aufmerksamkeit wichtiger wurde als Geld und warum wir nicht mehr ausgehen (Spoiler: aus Angst, am nächsten Tag nicht produktiv zu sein.)

Du kannst es bei deinem lokalen Buchhändler bestellen oder hier: Das Millennial-Manifest von Bianca Jankovska*

Gewinnspiel

– Das Gewinnspiel ist beendet. Vielen Dank fürs Mitmachen und eure interessanten Kommentare! –

Der Rowohlt Verlag hat mir 2 Exemplare von Biancas neuem Buch zur Verfügung gestellt, die ich verlosen darf. 2 Leser*innen können unter diesem Beitrag je ein Buch gewinnen. Beantworte dazu einfach die folgende Frage in den Kommentaren:

Welche Learnings hast du in letzter Zeit im Beruf gehabt?


Alle Portraits: © Melanie Ziggel

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