Du gibst in jedem Bereich alles. Deine Ansprüche sind hoch. Du machst hervorragende Arbeit und das wissen deine Auftraggeber und Chefs. Du besserst nach, bis wirklich alles strahlt. Beschreibt das deine Arbeitsweise treffend?
Das sind tolle Eigenschaften, die von vielen in deinem Umfeld sicher sehr geschätzt werden. Ich mag an mir, dass ich sehr genau arbeite und keine halben Sachen mache. Aber weißt du was? Ab und zu fahre ich den Karren auch mal richtig in den Dreck. Aber: Damit kann ich nicht immer gut umgehen.
Der Fluch der Perfektionisten
Niemand ist perfekt und ich erst recht nicht. Dummerweise blende ich das gern mal aus. Ich verhalte mich dann wie eine Maschine: auf Erfolg programmiert und wenn etwas danebengeht, schalten ich in den Selbstzerstörungsmodus. Dabei ist mir doch selbst klar: Niemand – wirklich niemand! – lebt 80 Jahre oder länger auf diesem Planeten, ohne sich mal richtig die Finger verbrannt zu haben.
Nur ein Beispiel: Vor einiger Zeit habe ich mir einen ziemlich teuren Fehler geleistet. Und das beste daran: Ich konnte ihn nicht einmal selbst ausbügeln und das machte mich fast wahnsinnig. Habe tagelang mit einem undefinierten Gefühl gelebt und fühlte mich schlecht und dreckig, so als wenn ich jemanden bestohlen oder verletzt hätte. Ich wusste irgendwann gar nicht mehr, warum es mir gerade so schlecht geht. Ich konnte meinen Fehler einfach nicht vergessen und weitermachen.
Die Wahrheit ist aber meistens: Niemand kommt zu Schaden. Nur du selbst. Weil du emotional völlig unfähig bist, die Niederlage zu verarbeiten. Ich hatte damals einen Fehler gemacht, den jeder andere ebenfalls hätte machen können. So etwas passiert einfach. Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen. Gar nichts Besonderes eigentlich. Aus Niederlagen lernt man für gewöhnlich ja am meisten. Und es ist auch völlig unerheblich, wie groß der Fehler war. Sie passieren einfach.
Perfektionismus: Wie soll ich damit umgehen?
Machen wir uns nichts vor: Man kann Fehler – auch schwere Fehler! – nicht immer vermeiden. Aber vom Prinzip her geht es darum, ob wir gelernt haben, wie man richtig mit Fehlern umgehen kann. Und da stellt sich die Frage: Worüber definieren wir unseren Wert?
Viele Perfektionisten neigen dazu ihre (beruflichen) Leistungen sofort mit ihrem Wert als Mensch gleichzusetzen. So wird das, was einmal als gesunder Ehrgeiz losging, bis zu einem ungesunden Extrem gesteigert. Und wenn du nicht perfekt bist, dann bist du eben ein Verlierer. Dazwischen gibt’s nichts. Schwarz und Weiß. Klingt das nach dir?
Übrigens neigen gerade Perfektionisten dazu, mit anderen sehr hart ins Gericht zu gehen. Wer zu sich selbst so hart und erbarmungslos ist, ist oftmals auch anderen gegenüber sehr ungeduldig und unnachgiebig.
6 Möglichkeiten…
… um den perfektionistischen Freak zu erziehen und zu lernen, sich nicht selbst zu sabotieren:
Tipp #1
Frag dich, welchen Gewinn es gerade bringt, sich an einer Sache festzubeißen. Denk dran: 100% sind gar nicht möglich, also strebe nach 80%, die sind mehr als gut genug! Danach kriechst du nur auf dem Zahnfleisch. Und: Nachbessern geht immer, aber erstmal Machen.
Tritt einen Schritt zurück und frag dich ganz ehrlich, wie groß der Nutzen ist noch weiterzumachen: Was ist das eigentliche Ziel in der aktuellen Situation? – Oft stelle ich nach dieser Selbstprüfung fest, dass ich mich in Details verloren habe. Mit weniger zufrieden zu sein bedeutet nicht, dass die Leistung schlechter ist. Vielmehr sollte man von vornherein festlegen, was realistische Ziele sind, die erreicht werden können. Wenn nicht definiert ist, was „gut“ am Ende bedeuten soll, bekommt der innere Perfektionist einen Rappel und wird niemals zufrieden sein!
Tipp #2
→ Wovor habe ich wirklich Angst?
→ Was passiert, wenn ich es einfach mal anders mache?
Stell dir diese beiden Fragen und geh sie wirklich innerlich durch. Über die Angst vorm Versagen habe ich hier z. B. schon geschrieben. Sheryl Sandberg, COO von Facebook, hat auf ihrem Tumblr Blog Frauen gefragt: „What would you do what if you weren’t afraid?“
Tipp #3
Mach öfter etwas, wo es überhaupt nicht auf Genauigkeit ankommt und du Abstand zum Problem gewinnst. Wenn ich male oder eine Tätigkeit austeste, die ich vorher noch nie versucht habe, passieren immer Fehler. Daran kann ich üben, Fünfe gerade sein zu lassen. Und: Es tut gut, einfach mal nicht genau sein zu müssen.
Tipp #4
Drüber sprechen. Wenn ich mit mir hadere und kurz davor bin, wieder in ein Loch zu fallen, zwinge ich mich dazu, meine inneren Monologe mal laut wiederzugeben. Es ist extrem heilsam, mit jemandem über seine Gefühlsabgründe und den inneren Zwiespalt zu reden. Man lernt dabei außerdem, seine eigenen Gefühle in Relation zu setzen und stellt nicht selten fest, dass andere den Sachverhalt wesentlich gelassener sehen.
Tipp #5
Stärk unbedingt dein Selbstwertgefühl. Für mich die schwerste aller Aufgaben und vermutlich mein Lebenswerk. Es gibt viele Möglichkeiten robuster zu werden und sich selbst mehr zuzutrauen. Mir hilft Sport beispielsweise dabei, weil ich merke, wie mein Körper stärker wird und dazulernt. Das macht mich auch mental stärker und ich lerne mich durchzubeißen. (Hier findest du viele weitere Artikel, mit denen du dein Selbstvertrauen stärken kannst.)
Tipp #6
Du wirst Fehler machen, das ist Fakt. Also rechne von vornherein damit. Fehler sind eine Chance und du lernst gesunden Ehrgeiz von krankhafter Perfektion zu unterscheiden. Ich mag deshalb auch das Motto: „failing forward“. Es bedeutet, dass Misserfolge und Niederlagen nicht nur dazugehören – nein, sondern, dass sie sogar wichtig sind! Viele erfolgreiche Unternehmer sagen, dass die Misserfolge und Hürden sie überhaupt erst zu dem gemacht haben, was sie sind.
So, und jetzt nochmal in your face:
So sieht dein Leben aus, wenn du dich für jeden Fehltritt selbst bestrafst:
Du wirst dich ständig selbst sabotieren. Immer, wenn etwas nicht nach Plan läuft, wirst du panisch sein und zu einem Nervenwrack mutieren. Du wirst dann jemand sein, der selbst Hilfe braucht, weil er seine Gefühle nicht im Griff hat.
Das macht dich schwächer. Außerdem wirst du irgendwann im Job nicht weiter aufsteigen können, weil mit mehr Verantwortung immer das Risiko einhergeht, auch mal hinzufallen.
So sieht dein Leben aus, wenn du es schaffst, dir zu verzeihen und aus deinen Fehlern zu lernen:
Sowohl privat als auch beruflich kannst du zu jemandem werden, der alles erreichen kann. Du wirst mit dir selbst im Reinen sein und kannst wiederum andere stärken und motivieren. Und wenn du die Fähigkeit besitzt, Risiken einzugehen und deine Angst vor Fehlern zu beherrschen, wirst du mit Verantwortung belohnt.
Buch-Tipp
„In einer Welt, in der Versagensangst den meisten Menschen zur zweiten Natur geworden ist, erscheint Verletzlichkeit als gefährlich. Doch das Gegenteil ist der Fall: Brené Brown zeigt, Verletzlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass Liebe, Zugehörigkeit, Freude und Kreativität entstehen können.“
Wie keine zweite schreibt Brené Brown darüber, wie wir unseren Schutzpanzer aus Perfektionismus und anderen Ängsten ablegen können, um Mut und Selbstvertrauen zu finden:
Verletzlichkeit macht stark: Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich reich werden*
Du bist dran:
Ich gebe die Frage von Sheryl Sandberg mal an dich weiter: Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?
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Schlagwörter: Buchtipps / Gefühle / Mindset / Perfektionismus / Persönlichkeit / Psychologie / Selbstbewusstsein / Selbstmanagement / Selbstvertrauen / Versagen
Mich selbstständig machen. Einfach so. Als Fotografin, Grafikdesignerin oder im Makeup-Bereich.
Zum einen weil ich es leid bin, zig Bewerbungen zu schreiben und im besten Falle eine Absage zu bekommen. Und zum anderen, weil ich mich dann keinen Unternehmenshierarchien und seltsamen Menschen unterordnen und/oder gefallen muss.
Okay, wenn ich bedenke, dass ich vor fast einem halben Jahr ohne Job in eine komplett neue Stadt gezogen bin und mich erstmal weitestgehend eingerichtet habe, dann relativiert sich das mit dem angstfreien Handeln irgendwie. Und ja, das ist ein Risiko. Immer noch, weil ich eben immer noch keine Anstellung habe und mir der Arsch langsam auf Grundeis geht. Aber da heißt es eben positiv denken und geduldig sein.
Wie perfektionistisch ich dennoch bin, merke ich vor allem immer an meinen eigenen Arbeiten. Bei meinen Make-ups und meinen Fotografien bin ich schon sehr selbstkritisch und feile oft an Dingen, die anderen vielleicht gar nicht auffallen. Dafür bin ich in anderen Bereichen wieder lockerer.
Liebe Grüße,
Jasmin
Mach das doch! Lern Leute kennen, pfleg dein Netzwerk und schau, was sich ergibt. Ich habe die meisten Jobs durch netzwerken an Land gezogen. „Kalt“ irgendwo bewerben war für mich auch oft frustrierend. Und bedenk: Es gibt immer einen Weg zurück, aber man muss es probieren. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mich ohne feste Anstellung viel besser fühlen würde. :)
Hallo Melina,
ein schöner Beitrag über Perfektionismus, Druck, Unnachgiebigkeit, Selbstwert. Vieles, was uns hauptsächlich von außen im Laufe unseres Lebens aufgetragen wurde. „Wenn Du Erfolg haben willst, dann musst Du…“; „Als Frau musst Du im Geschäftsleben immer besser sein als ein Mann!“ Und dann kommen eben solche Glaubenssätze wie „ich darf mir da keinen Fehler erlauben.“ „Alles muss bis ins kleinste Detail perfekt sein.“ Und wie Du schon sagtest, Du verlierst Dich im Detail, was für niemanden zum Nutzen war. Ich versuche momentan gerade den Klassiker anzuwenden: was würde ich zu meiner besten Freundin sagen,wenn ihr ein Fehler unterläuft, über den sie sich maßlos ärgert? Und bisher wäre ich immer wesentlich entspannter und freundlicher zu ihr, als ich in der gleichen Situation zu mir bin.
Punkt 1 also: versuche Deine beste Freundin zu sein – die macht auch mal Fehler, die ist auch mal doof, und trotzdem liebst Du sie.
Beruflich hatte ich öfter mit Fehlern zu tun, die irgendwer im Unternehmen verursachte, natürlich aber auch mal ich selbst Schuld war. Und wenn dann Kunden erbost schreiben, dass sie seit 20 Jahren zufriedener Kunde waren, und völlig entsetzt sind, was nun passierte, dann hab ich geantwortet:“Ich gebe Ihnen völlig Recht, hier ist uns ein Fehler unterlaufen und ich kann mich nur aufrichtig entschuldigen. Sie schreiben, dass Sie uns bereits seit 20 Jahren treu sind und stets zufrieden waren, ich hoffe, dass Sie uns diesen Ausrutscher nicht nachtragen.“
In den meisten Fällen war die Antwort des Kunden schon viel entspannter, da kam dann selbst schon so was wie „ist ja menschlich“ oder ähnliches.
Punkt 2 also: einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat und sich entschuldigen. Arsch haben viele in der Hose, den meisten fehlt es an Rückgrat. Und Fehler schön zu reden, ist respektlos; die Leute sind ja nicht doof. Positiv auslegen kann ich das, indem ich das ganze als Erfahrung abbuche und daraus lerne.
Und Punkt 3: realisieren, dass täglich viele kleine Fehler passieren, Fehler also zum Leben gehören. Wie z.B. morgens sich für ein T-Shirt zu entscheiden, und es nicht annähernd so warm wie gedacht ist – ich also mit Gänsehaut den Tag verbringe. Im Kino sich für einen Film entscheiden, wo ich mich zu sehr vom Titel blenden ließ. Unterwegs noch schnell das Bahnticket buchen, obwohl ich zuhause noch einen Gutschein hatte. Bei all so was recht ein „ach Männo“ und dann ist aber auch bitte wieder gut :-)
Moni, auf deine Kommentare freue ich mich immer…du nimmst immer alles so schön systematisch auseinander und hast so viel tollen Input! :)
Punkt 1 finde ich super! „Die macht auch mal Fehler, die ist auch mal doof, und trotzdem liebst Du sie.“ Da packst du das Problem wirklich bei den Hörnern. Warum soll man sich selbst hassen, wenn man sich anderen gegenüber immer bemüht das Gute zu sehen?
Und ja, Punkt 2 Rückgrat: Das habe ich heute auch mal wieder vermisst. Ich sage nur Kundenservice.
Hallo Melina,
danke für deinen ehrlichen Beitrag.
Mir ging es letztens ähnlich – obwohl der „Fehler“, den ich gemacht hatte, weder wirklich mir verschuldet noch ein richtiger Fehler war, ging es mir den ganzen Tag schlecht. Irgendwie hat mich das alles komplett heruntergezogen. Das bin ich definitiv auch meinem Perfektionismus geschuldet. Ich will, dass alles reibungslos funktioniert! Als ich mit bewusst geworden bin, dass meine miese Laune eigentlich vollkommener Bullshit ist, konnte ich langsam loslassen und mittlerweile lache ich drüber. Aber in solchen Momenten muss man seine schlechte Stimmung vlt. auch einfach mal zulassen, damit man darüber reflektieren kann.
LG -Anja
Hi Anja,
du hast schon recht, es ist ja auch normal, dass man sich alles möglichst perfekt wünscht. So weit, so gut. Meistens können wir dann nur nicht damit umgehen, wenn es eben nicht so läuft.
Ich muss mich da auch oft am Riemen reißen. Wenn man plötzlich gar nicht mehr weiß, warum man sich so schlecht fühlt, hat man definitiv zu wenig Zeit mit sich selbst und seiner Gefühlswelt verbracht. ;)
Mein erster Gedanke war „Ich würde Strahlen“ (in meiner Selbstständigkeit). Jetzt verstecke ich mich noch ein bisschen hinter: mache mich gerade Selbstständig/ bin in der Anfangsphase usw.
Danke für deinen anregenden Artikel!
Ich würde meinen festen Wohnsitz mal aufgeben und reisen, wandern, pilgern. Zuerst von hier bis Santiago de compostela. Und zurück, lach! Ich habe Angst, finanziell nicht klar zu kommen. Daher scheue ich mich so sehr davor. Unsicherheit auszuhalten, erfordert eine Menge Mut. Ich sammle noch.