Ich werde in letzter Zeit häufig gefragt, wie ich im Joballtag damit zurecht komme, schüchtern zu sein. Einerseits verwundert mich diese Frage: Es klingt mitunter, als ob meine Schüchternheit ein Handicap sei, so wie ein gebrochener Arm beispielsweise.

Dem ist natürlich nicht so: Schüchternheit ist erstmal etwas ganz Normales. Und vor allem ist sie auch gar nicht bei jeder betroffenen Person so stark ausgeprägt. Selbstverständlich kann eine schüchterne Person selbstständig sein und ihre Ziele verwirklichen. Andererseits verstehe ich den Gedankengang der Fragesteller: Ja, es kann manchmal schwieriger sein, sich als Selbstständige durchzusetzen, wenn man schüchtern ist. Aber nichts ist unmöglich.

So sieht es bei mir aus: Mein Mann Timon und ich haben den gleichen Beruf und wollten immer etwas gemeinsam machen. Darum haben wir uns schon vor Jahren überlegt, wie wir das wohl möglich machen könnten (hier kannst du die ganze Geschichte zum Sprung in die Selbstständigkeit nachlesen). Er war übrigens nach seiner Ausbildung sofort selbstständig und nie wieder angestellt, das hat mich fasziniert. Ich hatte also Zeit, mir zu überlegen, welche Fähigkeiten ich benötige, um bei ihm einzusteigen und wie ich es mir aneigne.

Um es zusammenzufassen: Ich wusste, wo ich hin will. Aber ich wusste auch, dass mir dafür diverse Fähigkeiten fehlten. Die habe ich mir mit der Zeit erarbeitet.

Vor vielen Menschen reden: Hallo Panik!

Bei der Aussicht mit mehr als zwei Leuten in einem Raum zu sitzen, stellen sich mir manchmal immer noch die Nackenhaare auf. Wenn ein Meeting mit Kunden ansteht, kann ich manchmal morgens nichts essen. Puls gefühlt bei 180. Ich kann dann nur noch Pfefferminz-Tee nippen. Aber das ist okay. Nervosität ist okay. Und wenn man sie bewusst zulässt statt davonzulaufen, dann wird sie mit der Zeit auch besser. Diese Erfahrung habe ich mittlerweile häufig gemacht.

So schlimm ist es zum Glück nicht immer bei mir. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich zu beruhigen und mir ein Umfeld zu schaffen, in dem ich mich sicherer und selbstbewusst fühle. Das ist ein Prozess, der sich leider nicht in drei Worten hier abbilden lässt. An dieser Stelle so viel: Selbstvertrauen und mentale Stärke kann man erlernen. Zum Beispiel durch Sport und gezieltes Achtsamkeitstraining.

Klar ist: Niemand löst seine Probleme, indem er sich einfach versteckt. Wenn ich merke, dass die Angst mich fest im Würgegriff hat, tue ich etwas dagegen. Was ich im Folgenden beschreibe, trifft auf viele Schüchterne zu und hat gar nicht unbedingt nur mit der Arbeit zu tun. Wenn du etwas verändern willst, betrifft das immer dein ganzes Leben und nicht nur Einzelbereiche.

Was ich aus Stresssituationen gelernt habe

Von diesen War-gar-nicht-schlimm-Momenten habe ich immer wieder welche. Mit jeder neuen Aufgabe wächst man. Das erste Mal ist immer der blanke Horror und innerlich hat man fast das Gefühl zu verbrennen, bis nur noch ein Haufen Asche übrig ist. Alles Neue ist nicht nur aufregend, sondern viel zu aufregend. Ich hatte oft das Gefühl, mein Körper verkraftet das gar nicht und wollte weglaufen. Aber das ist Einbildung.

Oft spricht in dem Moment die Angst und nicht ich selbst.

Viele tun gar nichts und bleiben immer in ihrer Komfortzone, obwohl sie inhaltlich die Situation schon längst beherrschen. Sie handeln nur aus Angst nicht. Nicht aber aus Mangel an Wissen oder großen Lücken in den Fähigkeiten. Dadurch verzögert sich der Fortschritt enorm! Ich weiß leider, wovon ich spreche. Mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist eine Bremse, die einen ganze Lebensjahre kosten kann.

Erst dadurch, dass man sich in Situationen begibt, die alle Fähigkeiten von einem abrufen, ist man in der Lage, das nötige Wachstum zu erzielen und seinen Ängsten ins Auge zu blicken. Diese Momente voll auszunutzen sorgt für eine Transformation, die sonst Jahre dauern würde oder nie eintritt, weil man den Chancen aus dem Weg geht.

Also doch ins kalte Wasser springen?

Ja und nein. Die Dosis macht’s. Es muss nicht die schlimmstmögliche Challenge sein, die einem in den Sinn kommt. Aber es macht einen Unterschied, mit welchen Voraussetzungen du deine Komfortzone verlässt. Kannst du schwimmen? Dann spring und schwimm, egal mit welchem Schwimmstil. Wenn du aber nicht gelernt hast zu schwimmen, dann lern erstmal schwimmen.

Das ist die Essenz! Viele wissen praktisch schon genug, um eine Chance nutzen zu können. Sie können also schwimmen, haben aber Angst diese Chance zu nutzen. Sie können schwimmen, aber das Wasser ist ihnen irgendwie doch zu kalt. Egal! Wer schwimmen kann, muss die Gelegenheiten zum Springen nutzen. Sonst kann man sich nicht weiterentwickeln.

Nach 5 Minuten angestrengtem Schwimmen im Wasser ist man dann warm. Das ist genau das, was in realen Situationen passiert. Man gewinnt Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und was noch fehlt, erlernt man dadurch schneller. Nicht immer schafft man es, loszulassen und einfach zu springen. Mir gelingt das bei weitem nicht immer. Aber ich versuche, mich immer öfter auf eine neue Erfahrung einzulassen, wenn ich merke, dass sie mir guttun würde.

Wichtig ist darauf zu achten, nicht in einen Selbstoptimierungs-Zwang zu verfallen. Du sollst keinen Krieg gegen dich selbst führen, im Gegenteil. Höre in dich hinein und versuche die Stimme der Angst von deiner eigenen unterscheiden zu lernen. Du brauchst diese Momente, um zu wachsen. Der Umkehrschluss ist übrigens nicht, dass du bleibst, wo du bist. Schlimmer: Du machst einen Schritt zurück, denn beim nächsten Mal ist die Angst vor der Herausforderung noch stärker als zuvor.

Hör auf, nur auf dich selbst zu schauen

Wer schüchtern ist, fürchtet sich vor seiner eigenen Wirkung auf andere. Du wirst förmlich von deiner Angst erdrückt. Das macht dich unsicher und schwach. Dein Gegenüber spürt das. Manche denken nicht groß darüber nach und finden einen einfach bloß “still”. Andere wiederum finden dich vielleicht sogar “arrogant”.

Ich hoffe, jede Schüchterne, die hier mitliest, weiß was ich meine. Man denkt die ganze Zeit nur über sich selbst nach. Wie man wirkt und welchen Eindruck man vermitteln will. Das ist total falsch! In Wirklichkeit ist das sogar egozentrisch und lässt die Bedürfnisse des Gegenübers vollkommen außer Acht. Natürlich will ich das nicht. Aber meine Ängste sind so groß, dass ich diesen Fokus verliere:

Ich sehe nur noch mich, mich, mich. “Was mache ich für einen Eindruck?” “Wie sehe ich gerade aus?” “Wirke ich intelligent?”

Das nervt mich ja schon selbst, während ich es tippe. 

Immer wenn ich wieder in einem Strudel voller Angst bin, denke ich darüber nach. Es geht nicht um mich. Meine Person ist gar nicht so wichtig. Es geht darum, anderen etwas zu geben und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Wenn man sich darauf einlässt, fühlt man sich automatisch wohler in seiner Haut.

Wie schaffe ich es, mich nicht auf meine Angst zu konzentrieren?

Dass man in erster Linie zuhört und nicht versucht, durch kunstvolle Monologe Eindruck zu machen. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis für mich gewesen, über die ich hier bereits geschrieben habe: Ich kann ich selbst sein und gleichzeitig andere für meine Arbeit begeistern. Auf natürliche und ungezwungene Weise.

Für mich persönlich heißt das, dass ich zum Beispiel bestimmte Angebote ablehne, auch wenn sie gut bezahlt sind. Ich frage mich zuerst immer, welches Opfer ich dafür bringen muss und ob mir das gut tut. Ich kenne meine Zielgruppe und meine Grenzen. Ist es ein Auftrag wert, mit seiner Energie derart ins Minus zu gehen, wenn man genauso gut drei kleinere Aufträge machen kann, mit denen man sich wohler fühlt? Muss jeder selbst entscheiden.

Aber ich sage nicht mehr zu allem ja. Wir nehmen zum Beispiel nicht an Pitches (was ist das?) mit ausschweifenden Präsentationen teil, das ist mitunter eine einzige Nabelschau. Zudem finde ich Pitches auch aus arbeitsethischer Sicht problematisch. Seit ich bewusst nein zu Aufträgen sage, bei denen ich kein gutes Bauchgefühl habe, läuft es viel besser. Nicht nur emotional, weil ich mich nicht mehr verbiegen muss, auch finanziell.

Wie bekommt man Kunden, wenn man schüchtern ist?

Schüchtern und selbstständig, geht das? #freelancer #schüchtern #introvertiert #angst #unsicherheit #selbstvertrauen

Jeden Tag bin ich dankbar, dass ich mit meinem Mann zusammenarbeiten darf. Das ist ein wahnsinniges Geschenk, weil wir uns gegenseitig ergänzen und niemand ganz auf sich allein gestellt ist. Hin und wieder muss ich zwar ins Rampenlicht und über meine Arbeit reden…aber das Schöne daran ist, dass ich mir trotzdem selbst aussuchen kann, wo und wie ich meine Kunden finde. Ich muss mich nicht um Kaltakquise kümmern, so wie sie von vielen verstanden wird: Unbekannte ansprechen und von Event zu Event rennen. No way! Da haben wir unsere eigenen Strategien, die viel besser zu uns passen, als mit einem Stapel Visitenkarten um die Häuser zu ziehen. Die meisten Kunden haben wir nebenbei kennengelernt, durch ein normales, ungezwungenes Gespräch ohne Tamtam. Oder durch eine Empfehlung.

Wenn Menschen das Gefühl haben, du hättest ihr Geld dringend nötig und suchst angestrengt nach neuen Namen in deiner Kartei, läuft das mit der Akquise ohnehin nicht so toll. In einer lockeren Atmosphäre klappt das viel besser.

Am Ende zählt: Sei du selbst und finde deinen eigenen, authentischen Weg. 

Wenn du angestrengt und verbissen um alles kämpfst, hast du am Ende sogar weniger Erfolg. Du bist ein Mensch und keine Maschine! Und hin und wieder in alte Muster zurückzufallen, ist total normal. Wir helfen dir auch gerne auf deinem Weg! Schau gerne in unsere Angebote, wir sind da, wann immer du bereit bist.

Erzähl mal: Vor welchen Herausforderungen stehst du in deiner Selbstständigkeit?

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© Foto: Lea Sander Fotografie

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