Lampenfieber. Es begleitet viele Menschen, sobald sie vor Publikum sprechen. Bei manchen steigt die Nervosität erst, wenn sie auf einer Bühne stehen, bei anderen geht es auch schon in kleineren Gruppen los. Zittern, Kältegefühl bei gleichzeitigen Schweißausbrüchen, flacher Atem, Herzrasen, Unruhe im Darm, die roten Flecken, die mir den Hals hochkriechen – das alles können Anzeichen für Lampenfieber sein. Nicht zu vergessen der vermehrte Harndrang und das Gähnen im 30-Sekunden-Takt.
Als systemischer Coach komme ich zwar öfter in die Situation, vor Publikum zu sprechen oder Workshops abzuhalten, aber dennoch kenne ich Lampenfieber nur allzu gut. Mein Körper spielt in bestimmten Situationen komplett verrückt vor Aufregung.
Falls dir das auch so geht, lies weiter. Ich teile meine persönlichen Erfahrungen dazu mit dir und ein paar meiner liebsten Buchtipps.
Wird das irgendwann besser?
Lass mich zu aller erst etwas klarstellen: Es ist nicht das Ziel, nie wieder Lampenfieber zu haben. Das macht auch gar keinen Sinn, denn ein Adrenalin-Kick ist in der richtigen Dosis wichtig für unsere Leistung. Es wird immer Situationen geben, die für etwas Herzklopfen sorgen. Und das ist okay so, denn damit sagt der Körper uns: „Hey, das hier ist wichtig, mach das Beste draus!“
Es erwischt mich auch hin und wieder trotz Übung: Ob ich auf einer Bühne in ein Mikrofon spreche, mit einem neuen Kontakt skype oder auch nur mit ein paar fremden Personen in einem Raum sitze – das Kribbeln kommt immer wieder, mal stärker und mal schwächer. Aber ich wachse daran.
„Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.“ – Mark Twain
Je öfter man in die jeweilige Situation geschubst wird, desto besser wird es mit der Zeit und man wächst daran. Gerade weil wir ja so selten in solche Situationen kommen, sind wir eben nicht dafür trainiert und haben Angst vorm Unbekannten. Timon beispielsweise spricht regelmäßig vor einem größeren Publikum und mittlerweile fällt ihm das relativ leicht. Wer ihm zuhört, könnte leicht denken, er hätte ganz einfach die nötigen Skills dazu. In der Tat, die hat er. Aber nur, weil er sie eingeübt hat!
Ich spreche ungefähr alle 6-8 Wochen vor einem größerem Publikum und dennoch habe ich immer das Gefühl, tausend Tode zu sterben, bevor ich eine Bühne betrete. Aber wenn ich dann angefangen habe…dann klappt’s! Die Aufregung ist da, aber ich weiß aus Erfahrung, dass ich meist abliefere und hinterher keiner gemerkt haben will, dass ich nervös war. Höchstens die erste Reihe konnte meine hektischen Flecken am Dekolleté sehen.
Hilfen bei Lampenfieber
Akzeptanz
Einer der besten Tipps überhaupt! Bevor wir etwas verändern können, müssen wir erst einmal die Situation akzeptieren, statt gegen uns selbst zu kämpfen. Dass dieser Schritt von elementarer Wichtigkeit ist, habe ich auch bei anderen Eigenschaften gemerkt, zum Beispiel der Hochsensibilität: Früher habe ich es gehasst, viel wahrzunehmen. Ich empfand meine Sensibilität und die damit einhergehende ständige Reizüberflutung als untragbar. Aber natürlich geht sie nicht einfach weg, denn ein hocherregbares Nervensystem legt man nicht ab wie einen getragenen Pullover. Wie sehe ich meine Sensibilität jetzt? – Neutral. Sie ist für mich weder eine Gabe, noch eine Last. Sie ist einfach eine Eigenschaft, die ich lernen muss richtig einzusetzen und zu lenken.
So geht es mir auch mit der Nervosität. Ich akzeptiere, dass sie da ist und spreche innerlich mit ihr („Hey, da bist du ja wieder.“). Natürlich ist es kein angenehmes Gefühl, von einer heftigen Körperreaktion durchgeschüttelt zu werden. Aber es ist erstmal okay. Es ist normal, nervös zu sein und es geht vielen so. Sogar absoluten Medien-Profis! Julia Roberts sagte vor ihrer Arbeit am Broadway einmal: „Wenn die Arbeit losgeht, werde ich vor Nervosität kurz vor dem Schlaganfall stehen, aber diese Aufregung ist Teil des Vergnügens.“
Merke: Wenn du versuchst, deine Angstgefühle zu bekämpfen und sie zu ignorieren, verstärken sie sich nur!
Einatmen, ausatmen.
Atemübungen stimulieren den Parasympathikus und minimieren die Stressantwort ( = Ausschüttung von Stresshormonen) unseres Körpers. Bei Überforderung und Stress atmen wir flacher und schneller, darum helfen gezielte Übungen, wieder zu entschleunigen und zur normalen Atmung zurückzukehren. Probier zum Beispiel mal diese Übung hier aus, die easy zu merken ist: 4711 Atmen – ja, genauso wie das Kölnisch Wasser.
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→ Entspannt hinsetzen oder hinstellen. Optional: Augen schließen.
→ 4 Sekunden tief einatmen.
→ 7 Sekunden ausatmen.
→ Das Ganze 11 Mal wiederholen.
Gute Vorbereitung
Gute Vorbereitung zahlt sich aus, manchmal bereite ich mich auch auf Telefonate vor und mache mir extra Notizen, weil mich das manchmal auch stresst. Viele Unsicherheiten lassen sich damit schon beseitigen und du gehst souveräner in jede Lampenfieber-Situation. Diese Fragen stelle ich mir, wenn ich mich vorbereite:
→ Was ist mein Ziel? Was möchte ich erreichen?
→ Welche Punkte möchte ich unbedingt erwähnen?
→ Wie soll das Ergebnis aussehen?
→ Wie möchte ich mich dabei fühlen?
→ Was kann ich richtig gut?
Du merkst, es geht nicht nur um inhaltliche Vorbereitung, sondern auch die mentale. P.S.: Laut üben und zwar am besten vor einer vertrauten Person, damit bröckelt schon eine Menge Anspannung.
Halte den Blickkontakt
Mache dich vor Ort schonmal mit dem Publikum vertraut. Wenn man schon einmal mit ein paar Leuten geredet hat, dann fühlt man sich gleich viel wohler. Sagt sich so leicht, selbst das ist ja manchmal ein großes Problem, wenn man normalerweise etwas schüchtern ist. Macht aber nix, ein kurzes Hallo reicht meistens schon. Später in der Präsentation kannst du die Gesichter der bekannten Personen suchen.
Wenn du den Menschen im Publikum ins Gesicht blickst, wirst du bemerken, wie freundlich dich die meisten betrachten. Das gibt dir zusätzliche Sicherheit und motiviert. Wenn du die Leute ansiehst, bekommst du ihre Reaktionen mit und baust eine Verbindung zu ihnen auf.
Buchtipps:
Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch: Soforthilfe bei Herzklopfen, Angst, Panik & Co.*
„Gute-Laune-Schaf Oscar weiß: Das muss nicht so bleiben. Denn der leichteste Weg raus aus dem Tief führt über den Körper. Nichts beeinflusst unsere Psyche so direkt wie unsere körperliche Haltung. Nachdem Oscar mit seinem ersten Buch Kopf hoch den Überraschungserfolg des letzten Jahres hingelegt hat, hat er Spaß gefunden an seiner Rolle als Körpertherapeut mit dem einfachsten Bewegungsprogramm der Welt. Zusammen mit seiner neuen Freundin Emily präsentiert er 12 hochwirksame Übungen, die sich überall und jederzeit umsetzen lassen. Ganz ohne Yogamatte, in Sekundenschnelle und mit Sofortwirkung.“
Angst kocht auch nur mit Wasser*
Kennst du das: Du liegst die ganze Nacht wach und malst dir die schlimmsten Horrorszenarien für den kommenden Tag aus? „Bestimmt wird mich keiner ernst nehmen. Alle werden merken, dass ich eigentlich gar nichts kann. Ich werde bestimmt versagen.“ – Wie wird man negative Gedanken los? Wie überwindet man seine Ängste? Für alle, die solche Verhaltensweisen gerne verstehen und vermeiden möchten, kommt hier ein guter Lesetipp: Der schwedische Psychologe und Psychotherapeut Dan Katz hat in seinem Buch Angst kocht auch nur mit Wasser* anhand 32 Zeichnungen viele dieser Verhaltensweisen und Denkfehler auf eingängige und amüsante Art und Weise veranschaulicht. So macht er die kognitive Verhaltenstherapie auf neuartige und unterhaltsame Weise für jeden zugänglich.
Mehr zu diesem Thema:
Artikel: Netzwerken für Introvertierte – garantiert ohne Small Talk
Artikel: Zeig, was du kannst! – Wie man sich richtig verkauft
Welche Situationen lösen bei dir Lampenfieber aus? Wie äußert es sich bei dir? Lass es mich wissen, ich freue mich auf dein Feedback!
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Grundsätzlich das Sprechen vor fremden Menschen oder Vorgesetzten finde ich stressig. ich breche zwar nicht in Panik aus oder bin abwesend, aber manchmal habe ich Wortfindungsschwierigkeiten und vor allem fange ich an zu Schwitzen. Sobald ich merke das ich schwitze fühle ich mich dann noch unwohler. Seitdem ich gegen das Schwitzen an sich angehe, fühle ich mich in den Situationen etwas entspannter, denn es fällt dieses: “Hoffentlich habe ich keine peinlichen Schweißflecken” Gefühl weg.
Viele Grüße
JEnny
Ja, das kann ich gut verstehen. Bei mir ist das Gefühl auch oft unterschiedlich stark ausgeprägt. Präsentationen und Vorträge sind am schlimmsten, aber Gespräche mit Fremden bringen mich auch ganz schön ins Schwitzen. Aber dagegen komme ich mit normalen Mitteln nicht an. Da helfen wirklich nur noch Entspannungstechniken. ;)
Ganz liebe Grüße!
Mir hat Yoga geholfen. Bzw. die Atemtechniken. Bis tief in den Bauch atmen, das entspannt. Länger ausatmen als einatmen (z.b. Indem man beim einatmen bis 4 zählt und beim ausatmen bis 5; aber nicht dabei stressen. Es ist besser, erstmal nicht zu lange zu zählen).
Das mit der Kleidung find ich einen der wichtigsten Tipps überhaupt. Und die Leute anlächeln, man selbst sein und auch mal zugeben, dass man grad den Faden verloren hat/aufgeregt ist etc. das geht jedem mal so.
LG Ines
Das tief in den Bauch atmen ist wirklich sehr hilfreich, da hast du recht! Das mache ich auch ganz oft. Nur in akuten Situationen beruhigt es mich nicht genug. ;)
Das mit dem Gähnen kenn ich nur zu gut, zusätzlich wird mir auch oft ganz heiß – ich spüre wie mir die Hitze ins Gesicht steigt.
In den letzten Haaren hatte ich dauernd mit Ärzten – mit jungen und alten, mit manchen einmal mit manchen öfters, zu tun. Anfangs war ich immer furchtbar nervös wenn ich plötzlich auf Hochdeutsch in der großen Stadt (mein Dorf in der bayerischen Pampa hat 2500 Einwohner) erzählen sollte was los ist. Inzwischen klappt das ohne Probleme – wie du schreibst, die Übung machts.
Aber wenn ich mit dem Auto eine Adresse suche und nicht weiß wies mit parken ist und zusätzlich noch Klausuren anstehen kann ich die Nacht vorher nicht mehr schlafen und mache 3 Kreuzzeichen wenn ich endlich da bin.
Liebe Grüße :)
Daniela
Hallo Daniela,
ich kann dich echt gut verstehen, das würde bei mir auch für schlaflose Nächte sorgen! Gestern wars so ähnlich, ich habe den ganzen Tag so nervös auf einen wichtigen Anruf gewartet, dass ich nicht schlafen konnte und ständig Schweißausbrüche hatte. Oh mann! Aber es wird wie oben schon erwähnt besser, wenn ich übe, mich in eine positive Situation hineinzuversetzen. ;)
Liebe Grüße!
Das mit dem Lampenfieber und mir – herrje.
Wir hatten in der Schule mal so eine Art Projektarbeit, in der wir eine Szene aus der Lektüre, die wir gerade lasen, vorspielen mussten. Ich bin tausend Tode gestorben, habe es aber total verschwitzt und mit knallrotem Gesicht hinter mich gebracht. Dummerweise fand mich meine Lehrerin (die Leiterin der Theatergruppe) gut, und hat mich überredet, die Hauptrolle im Schultheater zu übernehmen.
Am Tag der Premiere stand ich dann hinter der Bühne, starrte durch den Vorhang auf die knapp 500 Leute, habe mich zweimal übergeben und war überzeugt, nicht einen Satz herauszubringen. Aber – es hat geklappt. Wie, weiß ich bis heute nicht, aber alle haben mich gelobt, also kann ich nicht so schlecht gewesen sein :D
Und seitdem geht es mit dem Lampenfieber, weil ich mir immer sagen kann: Hey, du hast schon vor 500 Leuten gesprochen, also kriegst du ein Kundengespräch locker hin. War zwar eine extreme Methode, aber es hat geholfen…..
Hallo Marie,
das ist ja auch eine heftige Erfahrung für dich gewesen! Und dich beruhigt es wirklich, daran zu denken, dass du schon “viel schlimmeres” gemacht hast? Interessant. :)
Bei mir funktioniert das nicht, das Lampenfieber kommt einfach ohne Einladung und rationale Argumente prallen komplett ab.
Liebe Grüße,
Melina
Danke für diesen Blogpost!
Volle Motivation, obwohl ich gar keine großen Probleme habe, vor Publikum zu reden. Aufgeregt und angespannt ist man dann meistens doch. Gerade der ‘Anker’ klingt für mich wirklich hilfreich und extrem wichtig, wird demnächst selbst ausprobiert. :)
Liebe Grüße,
Maria
Liebe Melina,
dein Beitrag ist wieder ein absoluter Mehrwert! Vielen Dank hierfür :) Ich war früher ein extrem schüchternes junges Mädchen – mit 18 musste ich plötzlich beim Abi-Ball vor der versammelten Schule als Organisatorin sprechen. Ich wurde quasi direkt ins kalte Wasser geworfen – das war aber mitunter tatsächlich ein Grund, dass das Lampenfieber wegging. In gewissen Situationen (zB vor allem beruflich) habe ich aber auch heute noch etwas Lampenfieber. Deine Tipps werd ich auf jeden Fall beherzigen :)
Liebste Grüße,
Alice von http://www.alicechristina.com