Wir leben in einer lauten Welt, in der die stilleren schnell überhört werden – sei es am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Privatleben. Neuere Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 30-50% der Bevölkerung introvertiert ist. Oft scheint es jedoch, dass unsere Gesellschaft Extraversion zum idealen Charaktermerkmal auserkoren hat.
Wie können eher zurückhaltende Menschen da mithalten und dennoch authentisch sein?
Tatsächlich nehmen Unternehmen extravertierte Mitarbeiter:innen als führungsstärker, bessere Teamplayer und schnellere Denker wahr – und belohnen sie darum mit höheren Positionen. Eine meiner Lieblingsautorinnen, Susan Cain, fand während ihrer Arbeit an dem Bestseller „Still“* heraus, dass die Harvard Business School ihre Student:innen schrittweise zu extravertierten Leadern ausbildet. Ihr Lehrplan beinhaltet einen erheblichen Anteil an interaktiven Seminaren und Teamarbeiten. Sogar das außerschulische Beisammensein wird bewusst forciert. Ein befreundeter Alumnus sagte Cain gegenüber, Harvard sei so etwas wie die „spirituelle Hauptstadt der Extravertiertheit.“
Introvertiert und erfolgreich – durch Authentizität
Introvertierte Leser:innen fragen sich nun sicherlich: „Und wie bitte soll ich mich dagegen behaupten, ohne selbst laut zu werden?“
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mich früher ständig bei anderen beklagte: „Ich bin keine Rampensau, aber ich will trotzdem mehr Verantwortung! Ich bin engagiert, gut ausgebildet und total erfahren auf meinem Gebiet. Aber die coolen Projekte bekommen immer die anderen. Was soll ich denn noch machen, um wahrgenommen zu werden?!“ – Ich dachte damals: Weiter kommt, wer die stärksten Ellenbogen hat. Die geschliffensten Reden hält. Oder die meisten Visitenkarten verteilt hat.
Natürlich ist es nicht verkehrt, einen beeindruckenden Auftritt hinlegen zu können und in einem Meeting seine Meinung durchzusetzen. Dieser Artikel ist kein Rant gegen das Charaktermerkmal der Extraversion. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass es nicht nur den einen breitgetrampelten Pfad gibt, der für jeden von uns passend ist.
Unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig und das soll sie auch unbedingt bleiben. Authentizität ist wichtiger – und langfristig erfolgreicher – als Lautstärke und Performance.
Heute weiß ich: Authentizität schlägt Lautstärke.
– Melina Royer
Die meisten werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass Vielfalt wichtig ist und wir uns alle gegenseitig ergänzen können. Also denken wir mal kurz über diese Idee nach: Was wäre, wenn wir uns unsere eigene Bühne basteln könnten, auf der wir uns wohlfühlen? Wo andere uns so sehen, wie wir wirklich sind?
Ich habe mittlerweile häufig die Erfahrung gemacht, dass eine nicht geringe Anzahl meiner Mitmenschen sich sehr wohl einen Gegenpol zu unserer lauten Berufswelt wünscht: Ruhige, überlegte Personen, die zuhören können und auf andere eingehen.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, lautet ein bekannter Spruch. Und dieser Satz kommt nicht von ungefähr.
Authentisch ist, was sich intuitiv und natürlich anfühlt
Sich mit Gleichgesinnten vernetzen, spannende Erfahrungen machen – und sogar sich und seine Arbeit bekannter machen – das kann man auch hervorragend abseits der altbekannten Pfade! Es gibt nicht den einen richtigen Weg, um Kontakte zu knüpfen und gesehen zu werden.
Der Witz ist: Authentisch zu sein ist eigentlich ganz einfach. Wir müssen es nicht einmal lernen, denn wir verhalten uns automatisch authentisch, wenn wir alleine sind.
Warum wir in anderen Umfeldern häufig nicht authentisch sind, liegt an unseren Ängsten. Um nur mal ein paar zu nennen:
❌ die Angst, abgelehnt zu werden – zum Beispiel, weil wir andere Bedürfnisse haben als unser Umfeld
🤡 Angst, sich lächerlich zu machen – zum Beispiel, weil wir in Meetings manchmal nervös sind oder etwas nicht wissen
🙈 die Angst, (negativ) aufzufallen – zum Beispiel, weil wir als einzige eine andere Meinung haben
Alle diese Ängste haben eines gemeinsam: Sie existieren nur in unseren Köpfen. Es sind unsichtbare Skripte – sogenannte Glaubenssätze – die uns daran hindern, wir selbst zu sein. Wir glauben fest daran, dass andere ein bestimmtes Verhalten von uns erwarten. Und wir versuchen, diese Erwartungen zu erfüllen. Und zack – schnappt die Falle zu und wir verstellen uns für andere, um anerkannt zu werden.
Authentisch sein bedeutet, sich selbst wahrzunehmen
Authentisch sein heisst, dass wir selbstbewusst sind. Genauer: dass wir uns selbst bewusst sind. Wir müssen also lernen, uns selbst wahrzunehmen und bewusst registrieren, wie wir uns im Moment fühlen:
- Was denke ich gerade?
- Wie fühle ich mich körperlich?
- Was brauche ich gerade?
- Was treibt mich an?
- Aus welcher Motivation handele ich – aus einer positiven oder negativen?
Dazu gehört auch, diese Gefühle nicht zu ignorieren, sondern anzuerkennen, dass sie einfach da sind. Im zweiten Schritt können wir uns überlegen, wie wir diesen Gefühlen und Bedürfnissen gerecht werden können, um uns besser zu fühlen.
Solange wir wissen, WARUM wir etwas tun, WOHIN wir gehen wollen und das offen kommunizierst, sind wir authentisch. Uns selbst und anderen gegenüber.
Wenn wir unser Warum kennen, fällt es uns automatisch leichter, für uns selbst einzustehen und unsere Fähigkeiten auch mit anderen zu teilen. Dabei ist es auch sehr hilfreich, zu wissen, dass es zwei Arten von Motivation gibt:
👉 Intrinsische Motivation:
Die intrinsische Motivation kommt aus uns selbst heraus und ist eine starke Antriebskraft. Intrinsische Ziele sind befriedigend, weil sie den angeborenen psychologischen Bedürfnissen nach Autonomie, Verbundenheit, Kompetenz und Wachstum entspringen. Sie befriedigen also unsere psychologischen Grundbedürfnisse, statt sich auf das Urteil oder die Zustimmung anderer zu verlassen. Beispiele für solche Ziele sind Selbstakzeptanz, Weiterbildung oder die Vertiefung sozialer Beziehungen.
👉 Extrinsische Motivation:
Extrinsische Ziele sind darauf ausgerichtet, externe Bestätigung durch andere zu erhalten. Beispiele hierfür sind finanzieller Reichtum, Ruhm oder Popularität. Häufig haben wir dann das Gefühl, „mithalten zu müssen“. Menschen verfolgen oft extrinsische Ziele in der Annahme, dass diese Ziele ihnen Glück bringen. Wissenschaftliche Studien deuten aber auf das Gegenteil hin. Das heißt nicht, dass diese Art von Motivation immer nur schlecht ist. Allerdings ist die intrinsische Motivation langfristig am erfolgreichsten – und am authentischsten.
Authentisch erfolgreich: Meine persönliche Erfahrung
Nimm mal meine eigene Person, Melina Royer: Was tue ich hier eigentlich mit Vanilla Mind? Überraschung – ich stehe im Rampenlicht. Aber auf eine Weise, die mir angenehm ist und zu mir passt. Hier kann ich meine Stärken zeigen, wie beispielsweise das Schreiben – und eine Verbindung zu Menschen aufbauen, die ich auf großen Events ohnehin nie kennenlernen würde. Weil sie nämlich wie ich lieber zuhause bleiben.
Und das ist unfassbar cool. Ich habe mir eine eigene Plattform geschaffen, auf der ich mich nicht verbiegen muss, sichtbar bin und dennoch gefordert bin, meine Komfortzone zu erweitern. Diese Website ist mein virtuelles Wohnzimmer. Hier fühle ich mich frei und kann dennoch tausende Menschen täglich erreichen.
Mein Warum, mein Nummer-1-Grund für meine Arbeit ist, dass ich einen Wert stiften will. Und für diesen Zweck habe ich mir meine eigene Bühne gebaut. Eine, dich mich zwar hin und wieder herausfordert… Radio-Interviews? Ein TV-Beitrag für 3Sat? Mein Foto auf der Startseite von Spiegel Online? …Aber immer so, dass es für mich in Ordnung ist und ich dennoch meinen eigenen Weg gehen kann. Mein Antrieb, anderen zu helfen, gibt mir die Energie und den Mut, mich zu zeigen. Meine Ängste nehmen nicht mehr den ersten Platz in meinem Leben ein, weil ich weiß, dass sie mir in der Vergangenheit viel zu viele Türen vor der Nase zuschlagen.
Wie wir dir helfen können, sichtbar zu werden
Timon und ich sind gerne für dich da, wenn du dir Hilfe dabei wünschst, authentisch auf andere zuzugehen. Wann immer du bereit dafür bist, nehmen wir dich gerne an die Hand und begleiten dich: Mit unserem Kompaktkurs Intuitiv Netzwerken lernst du, entspannt und natürlich auf andere zuzugehen. Ohne Druck und Ellenbogen-Mentalität. Damit du genau die Leute findest, mit denen du wirklich zusammen sein willst und die dir ein gutes Gefühl geben. Hier erfährst du mehr.
Extra-Tipp
Lebe deine Macht! Kraftvoll wirken in jeder Situation*
von Sylvia Löhken und Tom Peters
Der Buchtitel mag im ersten Moment etwas abschrecken. „Macht“, das ist ein Wort, das für viele erstmal bedrohlich klingt. Nach Manipulation oder gar Missbrauch. In diesem Buch geht es aber um Macht im Sinne von Selbstwirksamkeit. Die Autoren Sylvia Löhken und Tom Peters gehen sehr differenziert und mit viel Fingerspitzengefühl an das Thema heran und zeigen Introvertierten, wie sie von anderen endlich richtig wahrgenommen werden und machen Mut, für die eigenen Werte einzustehen.
👉 Wir haben Macht. Nämlich die Macht, selbst Einfluss zu nehmen:
„Wenn Menschen ihre persönlichen Machtquellen (wieder)entdecken, spüren sie einen Wendepunkt in ihrem Leben. Mit Lebe deine Macht wollen wir Menschen Mut machen, das in die Welt zu bringen, was ihnen wichtig und wertvoll ist: Den eigenen Platz einzunehmen, den eigenen Raum zu bewohnen, den wir uns zugestehen wollen.“ – Sylvia Löhken
*Hinweis: Unsere Empfehlungen enthalten teilweise Partner-Links. Wenn du über diesen Link ein Produkt kaufst, erhalten wir eine geringe Provision, die uns ermöglich diese Plattform zu betreiben. Diese Links sind mit einem * gekennzeichnet. Für dich ändert sich nichts.
Du verhältst dich automatisch authentisch, wenn du alleine bist. Warum wir in anderen Umfeldern häufig nicht authentisch sind, liegt an unseren Ängsten. Wir machen uns Sorgen, wie wir rüberkommen oder was andere von uns denken könnten. Authentisch sein bedeutet auch, uns selbst und unsere eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen:
Was denke ich gerade?
Wie fühle ich mich körperlich?
Was brauche ich gerade?
Was treibt mich an?
Schlagwörter: Arbeit / Erfolg / Introversion / Job / Komfortzone / Mindset / Mut / Persönlichkeit / Psychologie / Schüchternheit / Selbstbewusstsein / Selbstvertrauen
Hallo Melina,
ein toller Artikel. So hatte ich über das Rampenlicht noch nicht nachgedacht bisher. Für mich definierte sich das meistens über Präsentationen und Vorträge. Mit meiner Tanzgruppe auf einer Bühne zu stehen, fühlt sich weniger schwierig an als die Präsentation in der Uni. Das liegt vielleicht auch daran, dass es mir schwer fehlt zu reden und mich sinnvoll auszudrücken, wenn ich nervös werde. Ein aktuelles Beispiel wäre eine 40min Reflektion unseres Praktikums, die jeder in der Uni präsentieren soll. Besonders schwer finde ich da, dass 50% der Bewertung sich nur nach Sprache und körperlichen Kommunikation richten. Da fällt es schwer nicht bereits im Vorfeld am liebsten im Erdboden versinken zu wollen.
Liebe Grüße
Lea
Hi Lea,
freut mich, dass mein Artikel dir eine neue Perspektive zeigen konnte.
Ganz liebe Grüße,
Melina
Liebe Melina,
vielen Dank für diesen bereichernden Denkanstoß, dass man die Freiheit hat, sich selbst seine Bühne zu kreieren, und so, ganz ohne direkt aus dem Publikum angestarrt und von seiner Nervosität vereinnahmt zu werden, sich voll und ganz auf das konzentrieren kann, was man verschenken möchte und zu geben hat. Auf leise Weise.
Danke für all die großartigen, leisen und wertvollen Geschenke, die du uns von deiner Bühne aus machst?!
Alles Liebe,
Kathi
Hallo Kathi,
na und wie! Du bist die Drehbuchautorin in deinem eigenen Leben. Deine Bühne sieht genau so aus, wie du sie haben möchtest. Du musst sie dir nur nehmen und dir nicht von anderen reinreden lassen. ?
Und vielen Dank für deine liebe Worte, das motiviert mich sehr!
Viele liebe Grüße,
Melina
Hallo Melina,
danke für diesen tollen Artikel. Es kommt einem immer so vor, als ob nur die lauten Leute was zu sagen haben und kein Platz mehr ist für die etwas stilleren.
Und dass man seine Arbeit auch nicht herzeigen möchte, aber es trotzdem alle sehen sollen ist zwar ein Widerspruch, aber es kann ja nicht immer alles logisch sein.
Liebe Grüße
Karina
So wahr, Melina.
Ich bin auch nie gern im Mittelpunkt gestanden. Aber seit ich MEIN Thema und meine Menschen gefunden habe, fällt es mir immer leichter, mich auch zu zeigen. Der Zauber dabei ist, daß man nicht versucht, jemand anderes zu sein als man ist. Ich habe mittlerweile sogar richtig Spaß daran gefunden, vor Leuten zu stehen und etwas zu präsentieren… solang ich dabei aus dem Herzen sprechen darf.
Networking kann für mich bedeuten, daß ich mich den ganzen Abend mit der selben Person unterhalte. Und das ist nicht selten die, die anfangs auch ein bißchen verloren in der Ecke gestanden hat und nicht wußte, wo sie hinschauen soll.
Das mit dem Small Talk sehe ich nicht mehr ganz so eng: Ein freundlicher, unverbindlicher Opener gehört doch irgendwie dazu, wenn man das Eis brechen will, und dabei merkt man ja ziemlich schnell, ob und wie sich das Gespräch weiterentwickelt oder ob man zeitnah den Abflug macht (ich bin zB extrem empfindlich darauf, ob sich ein schöner, gleichberechtigter Gesprächsfluß einstellt oder ob die ganze Zeit nur die eine Person redet).
Ich habe auch festgestellt, daß man, indem man sich verletzlich zeigt (Grüße an Brené), oftmals eine echte Verbindung zu Leuten herstellt, mit denen einen auf den ersten Blick scheinbar gar nichts eint… :-)
Nebenbei: Du hast dir hier mit diesem Blog ein wunderbares Online-Wohnzimmer geschaffen, wo du auf deine Art und Weise im Rampenlicht stehst und wo auch ich als Gast mich sehr wohlfühle. Hut ab dafür.
Schöne Grüße von der Couch :D