Wir müssen reden. Ja, über Bewegung – einfach, weil es so wichtig ist! Am besten holst du dir gleich einen grünen Tee und liest diesen Artikel im Schneidersitz auf dem Boden sitzend (mit gerader Rückenhaltung!).

Vor einiger Zeit habe ich auf Instagram nachgefragt, wer Lust auf einen Artikel über Beweglichkeit und Büro-Fitness hat. Oh ja, big Issue! Timon und ich arbeiten im Home Office (hier findest du unseren kleinen Home Office Knigge) und das ist verdammt heimtückisch, denn dadurch komme ich quasi nicht einmal nach Feierabend vom Rechner weg. Arbeit und Freizeit sind so eng miteinander verzahnt, dass ich es gar nicht merke, wie schnell zehn bis elf Stunden rum sind. Unter uns gesagt: Seit ich 30 geworden bin, merke ich das Zwicken überall noch mehr. Gerade lag ich zwei Wochen mit einem fiesen Grippevirus flach und was passiert? – Jetzt habe ich sogar vom Liegen einen steifen Nacken und komme mit meinen paar Pilates-Übungen grad so hinterher.

Aber genug von meinem Mimimi, lass uns einfach gleich über die ganze Nation reden, denn:

Die Faktenlage ist düster

Ich habe einige Fakten zusammengetragen, damit ich nicht nur meine eigene Meinung hier präsentiere, sondern hoffentlich einige wachrütteln kann, die eigene Gesundheit ernster zu nehmen. Momentan mögen wir uns noch auf dem Zenit unserer Leistungsfähigkeit befinden, aber was kommt danach? Wenn wir uns jetzt nicht um den Erhalt unserer Gesundheit kümmern, werden wir allerspätestens in 5 Jahren von den ersten Alterserscheinungen und typischen Volksleiden heimgesucht (sofern nicht schon geschehen).

#1
23 Prozent aller Angestellten verzichten angeblich auf Pausen während der Arbeitszeit (das ist fast ein Viertel, hallo?!) und 18 Prozent geraten nach eigenen Angaben sogar an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit (Quelle: Bertelsmann Stiftung).

#2
Wir bewegen uns im Durchschnitt nur 27 Minuten am Tag (der Anteil von Sport mit hoher Trainingsintensität dürfte nochmals viel geringer sein). Dagegen sehen wir aber durchschnittlich 124 Minuten fern. Danke, Netflix!

#3
Krankheiten des Bewegungsapparates (vor allem Rückenbeschwerden) sind absoluter Spitzenreiter auf die Frage, an welchen Beschwerden die Studienteilnehmer am meisten leiden. Richtig alarmierend: In meiner Altersgruppe (18- bis 29-Jährige) gaben über 30 Prozent der Befragten an, oft oder ständig Schmerzen im Kreuz zu haben. Weiterhin sehr “beliebt”: Kopfschmerzen und Migräne. (Quelle: TK Bewegungsstudie 2016)

#4
Und es wird noch besser: Während bei den Männern nur jeder Fünfte chronische Beschwerden bestätigt, ist bei den Frauen jede Dritte betroffen. Ist nicht verwunderlich, denn die Doppelbelastung aus Vollzeitjob und Haushaltsführung für die ganze Familie ist ein ziemlicher Spagat.

#5
Gesundheitsexperten schätzen, dass bis zu 70 Prozent aller Ausgaben im Gesundheitswesen für die Behandlung der Zivilisationskrankheiten aufgewandt werden.

Schreibtischopfer ahoi!

Wenn wir uns im Alltag doch nur ein paar Minuten der Fernseh-Zeit für Sport nehmen würden! Was kaum jemand weiß: Sport baut sogar besser Stress ab als die gemütliche Couch

Ich falle selbst hin und wieder in ein Motivationstief – vor allem dann, wenn ich im Urlaub war. Dann ist nämlich meine Routine unterbrochen und ich muss mich sehr anstrengen, sie wieder zurückzuerobern. Aber ich merke immer wieder, wie sehr sich mein Körper über die Aufmerksamkeit freut und mich dafür mit einer höheren Belastbarkeit, besserer Konzentration und Gesundheit belohnt.

Wie fast jeder, der zu viel Zeit im Sitzen verbringt, habe ich diese typische eingefallene Haltung – Schultern schlaff nach vorn hängend, Wirbelsäule so rund wie ein Halbmond und natürlich gelegentliche Schmerzen im Kreuz. Und obwohl ich sonst relativ beweglich und gelenkig bin, spüre ich schnell meine Grenzen. Überall zwickt es und man weiß manchmal gar nicht mehr genau, wo überhaupt die Schmerzquelle ist. Vor circa zwei Jahren hatte ich alle paar Monate mal einen eingeklemmten Nerv in der Schulter. Der Schmerz strahlte auch in weite Teile der Brust aus und ich war tagelang nicht ich selbst. Mit dem Iliosakralgelenk (ISG) hatte ich auch immer mal wieder meine liebe Not, ganz zu schweigen von Stress-Kopfschmerzen.

Diese Probleme sind wohl jedem in der einen oder anderen Form bekannt. Und jetzt? Akzeptieren und weitersitzen? Zum Orthopäden rennen und das Problem mit einer Spritze oder Schmerzmitteln lösen? Wohl kaum. Zumindest bleibt zu hoffen, dass ein guter Orthopäde dauerhaft die Integration von Bewegung in den Alltag empfehlen würde. Und vielleicht ein paar Massagen.

Aufatmen: die Lösung muss nicht radikal sein

Leider handeln wir oft erst, wenn es schon zu spät ist und es schon überall knirscht. Es gibt aber viele praktische Lösungen, ohne dabei seine gesamte Alltagsroutine umschmeißen zu müssen. Das Buch „Wer länger sitzt, ist früher tot: Das Erste-Hilfe-Programm für Vielsitzer gegen Haltungsschäden und Schmerzen“* von Frank Thömmes enthält viele davon und schlägt unter anderem vor, ein wenig Bewegung mit in den Büroalltag zu integrieren. Ganz nach dem Motto:

Kleine Schritte führen zum Erfolg. Es müssen nicht immer gleich radikale Veränderungen her.

Zum Beispiel enthält das Buch einen Plan, der dich an die Hand nimmt und mit dir gemeinsam in sechs Stufen deinen Arbeitsalltag analysiert. Auf dieser Basis fällt es einem leichter, Potenziale zu erkennen und gesundheitsfördernde Gewohnheiten spielerisch in den Alltag zu integrieren.

Neben den allgemeinen Lösungsansätzen fand ich besonders den Buch-Abschnitt „Lebensverlängernde Übungen“ wertvoll und lehrreich. Hier wird gezeigt, wie man jede einzelne Körperregion gezielt stärken kann, auch ohne Sportgeräte. Gerade der Punkt ohne Geräte ist mir wichtig. Wie viele andere introvertierte Menschen fühle ich mich in großen Fitnessstudios mit vielen Menschen unwohl und trainiere lieber zuhause. Dort wiederum will ich mir nicht die Räume mit lauter unnötigen Sportgeräten zustellen. Darum war ich dankbar für die Auswahl an Übungen ohne Equipment.

An dieser Stelle gebe ich auch gern meinen Lieblingstipp für Sport-Apps an dich weiter: Die Bodyweight-App von Mark Lauren verwende ich seit Jahren sehr gerne für schnelle Workouts ohne Equipment (jede Übung kommt mit Video-Anleitung; hier kannst du die App herunterladen).

Was ebenfalls im Buch häufig angesprochen wird, ist das oft unterschätzte Faszientraining. Weit verbreitet ist der Irrglaube, Verspannungen und Nackenschmerzen kämen von der Muskulatur. Oft steckt aber unser Fasziengewebe dahinter, das durch Stress, Schonhaltungen und einen bewegungsarmen Lebensstil verhärtet.

Unser Bindegewebe umhüllt so gut wie alles: Muskeln, Knochen, Sehnen, Organe. Die Faszien bestehen aus Kollagenfasern und sorgen für die Elastizität unserer Muskeln. Und das kann dann richtig gemein werden: Die Faszien sind mit ca. zehnmal mehr Nerven und freien Nervenenden durchzogen, als vergleichsweise unsere Muskulatur. Deshalb sind sie oft für Schmerzen in Rücken und Co. mit verantwortlich. In eine gute Faszienrolle* zu investieren kann sich also durchaus lohnen. Alternativ helfen auch intensive Dehnungseinheiten. Vielleicht hast du auch schon von Faszien-Yoga gehört, bei dem bestimmte Posen sehr lange (= mehrere Minuten) gehalten werden, damit das Fasziengewebe aktiviert wird.

Meine Alltagsroutine, um trotz Bürojob beweglich und gesund zu bleiben:

→ Ich versuche einmal am Tag für 30-45 Minuten rauszugehen und etwas Strecke zurückzulegen. Mittlerweile habe ich mir statt Laufen gehen angewöhnt, einfach nur schnell Spazieren zu gehen (als sogenanntes LISS Training = „low intensity steady state“, also eine geringere Intensität im Cardiobereich). Wenn man sich während einer solchen Sporteinheit noch gut nebenbei unterhalten kann, trainiert man im richtigen Frequenzbereich. Das Beste daran: Man macht sich nicht völlig kaputt, sondern baut gemütlich Stress ab. Ideal für Sportmuffel.

→ Ich mache zwei- bis dreimal pro Woche Pilates (= Faszientraining). Am meisten Spaß macht mir das mit den Videos von Amiena Zylla. Mein Gewebe und die Muskeln sind danach richtig durchgeknetet und fühle mich total wohl. Auch bei Mady gibt es Videos für den Rücken, die gleichzeitig auch sehr erholsam und entspannend sind.

→ Zwei Male pro Woche bringe ich mich mit HIIT an die Grenzen. Dazu laufe ich meistens im Treppenhaus wie eine Irre hoch und runter. Ein Puls-Spitzenwert von knapp über 200 bpm ist dabei keine Seltenheit. Hinterher bin ich im Eimer, aber es fühlt sich trotzdem super an, weil ich merke, wie ich widerstandsfähiger werde.

"Wer länger sitzt, ist früher tot: Das Erste-Hilfe-Programm für Vielsitzer gegen Haltungsschäden und Schmerzen"

Vielleicht klingt das im ersten Moment nach viel, aber lass dich nicht abschrecken! Slow and steady, alles andere macht keinen Spaß und man bleibt nicht dabei.

Erstens sind das hier Idealwerte, die ich auch nicht immer so schaffen kann, wie ich es gern hätte.

Zweitens ist dieses Pensum das, was ich für mich als essentiell bewerte, damit ich meinen Alltag meistern kann. Ich habe zusätzlich durch meine familiäre Situation mit chronischem Stress zu kämpfen und brauche viel Bewegung, um meine innere Unruhe auszugleichen.

Drittens: Vergleiche mit anderen sind nie gut. Höre auf deinen Körper und fang einfach an. Du wirst mit der Zeit herausfinden, was und vor allem wieviel dir guttut und dein Körper benötigt. Achtsamkeit und Balance sind immer der Schlüssel zum Erfolg.

Giveaway

Der riva-Verlag hat mir 3 Exemplare mit dem SOS-Programm „Wer länger sitzt, ist früher tot“ zur Verfügung gestellt – herzlichen Dank dafür! 3 Leser*innen können unter diesem Beitrag je ein Buch gewinnen.

Das Gewinnspiel ist beendet und die Gewinner*innen wurden ausgelost und benachrichtigt. Viel Glück beim nächsten Mal!


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