Macht Social Media eigentlich Stück für Stück mein Gehirn kaputt?“ – Diese Frage habe ich mir in den letzten Monaten erschreckend oft gestellt und daraufhin das Buch von Cal Newport, Digitaler Minimalismus gelesen. Nein, inhaliert habe ich es.
Ich finde ja, dieses Thema ist mit Scham behaftet. Ich musste mir nämlich eingestehen, dass ich als erwachsene Frau genauso dem Sog sozialer Medien erliegen kann wie Teenager oder noch jüngere Menschen. Egal, für wie clever, stark und selbstbestimmt wir uns halten: Digitale Medien – egal ob Nachrichten, soziale Netzwerke oder andere Apps – beeinflussen uns alle.
Die Auswirkungen habe ich in letzter Zeit sehr deutlich zu spüren bekommen. Im November und Dezember gab es eine Phase, in der ich mich kaum noch auf meine Arbeit konzentrieren konnte.
Wie viele andere Menschen habe ich es gar nicht mehr gemerkt, wie wenig selbstbestimmt ich meine Zeit in Wirklichkeit verbrachte – und wie verheerend sich das auf meine mentale Leistungsfähigkeit auswirkte. Ich sagte mir: „Aber ich nutze Soziale Medien doch beruflich…“ und verlor allmählich die Kontrolle über meine Zeit.
Höchste Zeit, den eigenen Technologie-Konsum zu hinterfragen und sich Freiraum und Lebensqualität zurückzuerobern!
Das kannst du aus Still & Stark Folge 37 mitnehmen:
🧠 Wie digitale Medien unsere Gehirne verändern (Spoiler: zum Negativen!)
📲 Was Timon und ich tun, um selbstbestimmt mit Medien und Technologien umzugehen
😌 Wie du digital entrümpeln kannst und dich wieder frei fühlst
👉 oder: Springe zum Webplayer
Die Highlights aus Folge 37: Digitaler Minimalismus
Man kann es wirklich so sagen, soziale Medien haben unser Leben verändert. Push-Nachrichten, Likes und Follows sind aus den Social Media einfach nicht mehr wegzudenken. Spätestens seit der Netflix-Doku „Das Dilemma mit den sozialen Medien“ wissen wir auch, warum das so ist: Diese Apps sind maximal darauf ausgelegt, unser Belohnungszentrums süchtig süchtig zu machen – hallo Dopamin-Rausch! – Über soziale Medien Gefahren gibt es in Newports Buch ein knackiges Zitat:
„Philip Morris wollte deine Lunge. Der App Store will deine Seele“.
Bill Maher
Klingt total übertrieben, oder? Ist es leider nicht. Eine Studie der Universität Chicago kam zu dem Ergebnis, dass das Verlangen nach sozialen Netzwerken vergleichbar ist mit der Sucht nach Nikotin oder Alkohol. Die dort untersuchten 205 Proband:innen vernachlässigten viele Dinge des Alltags, um sich in ihre Lieblings-Apps einzuloggen.
Natürlich hinkt der Vergleich etwas. Die Sucht nach digitalen Medien und sozialen Netzwerken ist eine psychische und keine körperliche Abhängigkeit. Doch es ist unumstritten, dass unser Gehirn sich auf eine ähnliche Weise verändert: Besonders in den Arealen, die für emotionale Verarbeitung, unsere Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung zuständig ist, reduziert sich der Anteil an weißer Substanz!
Und jetzt denken wir mal kurz daran, wann wir uns das letzte Mal nicht mehr richtig bei der Arbeit konzentrieren konnten, nachdem wir durch unseren Nachrichten Feed gescrollt haben… je öfter das passiert, desto stärker verändert sich mit der Zeit unser Gehirn.
Digitaler Minimalismus als Lebensphilosophie
Digitaler Minimalismus kann eine Antwort auf diese bersorgniserregenden Entwicklungen sein. Indem wir bewusst und achtsam mit digitaler Technologie umgehen lernen, lassen wir uns zum einen weniger von Technologie-Konzernen instrumentalisieren. Und zum anderen schützen wir unsere mentale Gesundheit.
Wichtige Fakten, die wir uns bewusst machen sollten:
1. Unsere Zeit ist deren Geld.
⚠️ Je mehr Zeit wir in sozialen Netzwerken verbringen, desto mehr Geld können Instagram und Co. mit uns verdienen. So einfach ist das Spiel. Denn unsere Online-Zeit ist die Währung, mit denen Werbekunden geködert werden. Unsere Aufmerksamkeit wird an den meistbietenden verschachert. Und wir machen mit.
Müssen wir aber nicht. Und nein, dazu müssen wir nicht zu digitalen Einsiedler:innen werden und das Internet abschaffen. Qualität und Selbstbestimmtheit sind hier die Zauberworte.
2. Wir dürfen wieder lernen, mit unseren Gedanken allein zu sein.
⚠️ Ein Forscher fand heraus, dass durch die starke Nutzung digitaler Technologien diverse psychologischen Probleme stark gestiegen sind: Depressionen, Suizid, Heimweh, Essstörungen und vor allem Angststörungen. Er vermutet, dass dieser Umstand auf dieses Phänomen zurückgeführt werden kann: den Verlust der Einsamkeit.
Wir haben kaum noch Zeit abseits unserer Smartphones, sondern lassen uns permanent berieseln. Selbst, wenn wir in der Supermarktschlange stehen und warten, geht der Griff automatisch zum Smartphone. Schließlich muss ja irgendwas Produktives mit der Zeit angestellt werden, nicht wahr? – Eben nicht. Unser Gehirn braucht einfach eine Pause. Egal, wie spannend die Nachrichten oder unser Social Media Feed sind. Das Gehirn braucht ein Time-out und bekommt es einfach nicht mehr.
3. Digital Entrümpeln mit Cal Newports Methode
Bei einem digital Detox geht es in erster Linie darum, mit ungesunden Mustern zu brechen. Dazu ist es wichtig, einen echten Cut zu machen. Newport lud für seinen Versuch 1600 Freiwillige zu diesem Experiment ein. Gemeinsam wollten sie 30 Tage lang, also etwa einen Monat lang, auf digitale Medien verzichten. Die Ergebnisse dieser Studie lieferten ihm wertvolle Erkenntnisse für einen besseren Umgang mit digitalen Technologien.
Wenn du es ebenfalls versuchen möchtest, eignen sich also 30 Tage prima als Test. Vielleicht fragst du dich: Warum nicht schrittweise, sondern radikal? Weil man sein eigenes Verhalten sonst gar nicht bemerkt. Erst durch das Fehlen einer App fällt uns plötzlich auf, wie ferngesteuert wir sie in jeder freien Minute öffnen wollen.
Zuerst kann das zu Entzugserscheinungen führen, dem berühmten FOMO (= Fear of missing out, zu deutsch: die Angst, etwas zu verpassen). Die gute Nachricht: Diese Angst legt sich aber meist schon nach ein oder zwei Tagen wieder.
🔗 Lese-Tipp: Ich gönne mir öfter einen digitalen Detox. Hier kannst du einen davon mitverfolgen.
Schritt 1: Das Außen
In dieser Phase finden wir heraus, welche Medien für uns wirklich wichtig sind. Bequemlichkeit und Notwendigkeit sind nicht dasselbe! Vielleicht machen wir uns Sorgen, dass bestimmte Beziehungen leiden, wenn wir eine App nicht mehr verwenden. Oder dass wir es nicht schaffen, etwas zu verändern, weil wir die Apps beruflich brauchen.
Hierzu finden sich reichlich Ideen in dem Buch Digitaler Minimalismus*. Cal Newport zitiert beispielsweise einen Manager, der sich feste Zeiten für gehaltvolle Konversationen gesetzt hat. Heute wissen seine Freund:innen und Kolleg:innen, dass sie ihn täglich zuverlässig ab 17:30 Uhr erreichen können. In dieser Zeit befindet er sich für ca. eine Stunde auf dem Heimweg von seiner Arbeit und kann sich voll auf die andere Person konzentrieren.
Schritt 2: Das Innen
Als nächstes verbinden wir uns wieder mit unseren eigenen Bedürfnissen. Welche Werte und Interessen sind uns wichtig? Was liegt uns außerhalb des Internets am Herzen? Diese Reflexion hilft, die Stille und Leere zu füllen, die anfangs durch den Verzicht entsteht.
Schritt 3: Was brauche ich wirklich?
Im Anschluss an die 30 Tage Sozial Media Detox beginnt eine Phase der sorgsam durchdachten Re-Medialisierung, wie Cal Newport es nennt. Dazu sind die folgenden Fragen entscheidend:
- Hilft mir diese Technologie bei etwas, das mir wirklich wichtig ist?
- Ist die Nutzung dieser Technologie der beste Weg, diese Werte oder Ziele zu verfolgen?
- Wie kann ich den Nutzen dieses Tools maximieren und dabei gleichzeitig seinen Schaden begrenzen?
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Links und Lesetipps zu Podcastfolge 37: Digitaler Minimalismus – endlich wieder frei im Kopf
📖 Buchtipp: Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie* – von Cal Newport
🎧 Still & Stark Folge 4: Wie können wir unsere Konzentration steigern?
🔗 Artikel: Digitaler Frühjahrsputz: Lass los, was dich nicht weiterbringt!
🔗 Artikel: Social Media Detox: So gelingt der mentale Reset
✏️ Studien, aus denen wir zitiert haben:
Study: Social media more addictive than cigarettes or alcohol: The research studies how social media platforms can impact health and wellbeing in young people
Altered Gray Matter Volume and Resting-State Connectivity in Individuals With Internet Gaming Disorder: A Voxel-Based Morphometry and Resting-State Functional Magnetic Resonance Imaging Study by Ji-Woo Seok and Jin-Hun Sohn
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Schlagwörter: Achtsamkeit / Arbeit / introvertiert / Konzentration / Produktivität / Selbstbewusstsein / Selbstmanagement / Sensibilität / Stress
Hallo Ihr zwei,
Machen wir uns nix vor: die Digitalisierung schreitet voran und sie wird nicht mehr weggehen. Soll sie auch gar nicht. Besonders auch zur jetzigen Pandemie-Zeit ist sie für vieles super hilfreich. Nur ersetzt sie analoges nicht dauerhaft. Ich merke spätestens am Abend wie sehr meine Augen brennen. Nicht nur vom auf den Bildschirm schauen, sondern auch durch das scrollen und schnell wichtiges erfassen wollen. Ich gehöre nun schon zu Schnell-Lesern, und erfasse wahrscheinlich unbewusst noch mehr. Ich merke wie ich nachmittags unruhig bin und gleichzeitig angespannt. Ganz fiese Kombi, wie eine geschüttelte Sektflasche, wo der Korken noch fest sitzt.
Ich bin Fan der traditionell chin. Medizin: Yin und Yang, das eine nicht ohne das andere. Im Wechsel, im Fluss. Zu viel/ zu wenig macht krank. Eben noch ein Zoom Meeting, vielleicht danach ein simples Telefonat (Augen ausruhen). Feste Social Media Zeiten und diese begrenzt. Mal Podcast hören, statt online lesen und da wieder den Blick auf was anderes gelenkt zu bekommen. Ich höre tatsächlich hin und wieder mal eine LP. Nach etwa 30. Min aufstehen und Platte umdrehen – viel bewusster Musik hören als eine 10 Std.Playlist. Die ich wiederum beim joggen super finde. Digitalisierung kann Arbeit erleichtern, muss sie aber nicht. Seit Anfang Januar diskutiere ich mit meinem 22-jährigen Junior-Chef, dass wir einen Papier-3-Monatskalender benötigen. „Hast Du doch digital“. Überlegungen und Denken gehört auch zur Arbeit und dabei dann mal einen Blick auf den Kalender an der Wand…jetzt muss ich die App öffnen, auf den kleinen Bildschirm schauen, und wenn möglich meinen Kunden noch zu mir ranziehen, damit er auch gucken kann…das dauert länger, bringt mich oft aus meinen Gedanken und mich nervts auch.
Zudem bin ich wieder am Smartphone, und oh siehe da: eine Nachricht. Wer mag das sein? Gleich mal schauen. Und natürlich war das voll unwichtig. Aber nicht schauen geht auch nicht. Push Nachrichten abschalten, anders ging es bei mir nicht. Wichtiges kommt per Anruf. Ich schicke einem Notarzt ja auch keine Whats App. Mal sehen wann wir die Kurve kriegen mit den Möglichkeiten, die wir heute haben, gesund umzugehen. Solche Beiträge, wie Euer Podcast, sind schon der erste Weg zum „wach werden“.
Und somit sende ich das Ganze hier jetzt mal digital ab :-)
Guter Artikel und ein ebenso guter Kommentar von Mo! Danke für beides. Ich faste gerade mein Online-Spiel. Erst seit einer Woche, aber hoffentlich noch bis Ostern und es klappt gut. Ich vermisse eher den lockeren Austausch mit den mir persönlich unbekannten Mitspielern, als das Spiel selbst. Kurios. Wie immer im Leben, sollte man seine Routine und seine Gewohnheiten hin und wieder überdenken. Manches hat sich vielleicht schon selbst überholt und kann weg.