„Gehöre ich zu Team introvertiert oder zu Team extravertiert?“ In vielen Köpfen existieren nur diese zwei Schubladen. Und auch, was viele darunter verstehen, strotzt nur so von Stereotypen: Intro = ruhig, schüchtern, redet kaum. Extro = gern im Mittelpunkt, laut, vielleicht sogar vorlaut. 

Natürlich ist das alles totaler Quatsch. Aber ich kann dich beruhigen, ich dachte früher selbst so. Erst als Persönlichkeitsentwicklung zu meinem Beruf wurde, fing ich an, viele dieser Labels und Schubladen zu hinterfragen. 

In Wirklichkeit gibt es zwischen introvertiert und extravertiert ein riesiges Spektrum. In diesem Artikel erkläre ich dir, warum du mit großer Wahrscheinlichkeit ambivertiert bist und was das für dein Selbstvertrauen bedeutet.

Das erfährst du in diesem Artikel:

💡 Wieso die meisten Menschen ambivertiert sind
🚨 Warum das Schubladendenken zwischen „Intro“ und „Extro“ schädlich ist
✨ Wie du deine Vielseitigkeit anerkennst und auch deine Energie achtest

Bist du ambivertiert? Mach den Selbsttest!

🌈 Bist du neugierig geworden, wo du auf dem Spektrum stehst? Dieser kleine Test gibt dir Orientierung. Antworte einfach mit Ja oder Nein:

→ Ich genieße Partys und Treffen mit neuen Leuten, sehne mich aber auch nach ruhigen Abenden zu Hause. (Ja/Nein)

→ Gute, tiefe Gespräche geben mir Energie, oberflächlicher Smalltalk raubt sie mir. (Ja/Nein)

→ Mit meinen Freunden kann ich extrem gesprächig sein, in komplett neuen Gruppen bin ich anfangs eher still. (Ja/Nein)

→ Ich übernehme gerne die Führung in einer Diskussion, bin aber genauso zufrieden damit, einfach nur zuzuhören. (Ja/Nein)

→ Ich kann gut alleine an einer Aufgabe arbeiten, blühe aber auch in kreativen Teamprojekten auf. (Ja/Nein)

→ Meine Energie hängt stark von den Menschen ab, mit denen ich meine Zeit verbringe. (Ja/Nein)

→ Ich lerne gern neue Menschen kennen, aber danach brauche ich definitiv Zeit für mich, um wieder aufzuladen. (Ja/Nein)

→ Ich kann meinen Kommunikationsstil gut an die jeweilige Situation und mein Gegenüber anpassen. (Ja/Nein)

→ Ich beobachte gern, kann aber auch gut die Initiative ergreifen, wenn die Situation es erfordert. (Ja/Nein)

→ Ich genieße intensive 1-zu-1-Gespräche genauso wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit in einer Gruppe – nur eben auf unterschiedliche Weise. (Ja/Nein)

Auswertung: Wenn du die meisten Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit ambivertiert. Glückwunsch, du hast gerade ein neues Label erworben. 😁

Aber Spaß beiseite, mir geht es hier nicht darum, ein neues Label einzuführen. Ich möchte dich vielmehr dazu anregen, deine Vielseitigkeit anzunehmen und dich als buntes, flexibles Wesen wahrzunehmen.

Exkurs: Moment mal… klingt das nicht auch etwas nach ADHS?

💡 Manchmal können Verhaltensweisen, die wie Ambivertiertheit aussehen – der schnelle Wechsel von „sozial und euphorisch“ zu „völlig erschöpft und überreizt“ –, eine Überlappung mit neurologischen Besonderheiten haben, z. B. mit ADHS. Ich erwähne das, weil ich viele neurodivergente Leserinnen und Leser habe, die sich hier wiedererkennen.

Der entscheidende Unterschied liegt im „Warum“: Bei Ambivertiertheit geht es um die natürliche Regulierung deines sozialen Energie-Akkus. Bei ADHS ist der Energieabfall oft eine Folge von Reizüberflutung, Impulsivität und der enormen Anstrengung, sich anzupassen („Masking“).

⚠️ Dieser Hinweis ersetzt keine Diagnose. Aber wenn du dich hier wiedererkennst und oft das Gefühl hast, gegen eine unsichtbare Wand zu kämpfen, kann es hilfreich sein, es bei Bedarf professionell abklären zu lassen. Es geht nicht um ein Label, sondern darum, die richtigen Werkzeuge für deine einzigartige Art zu finden.

Introvertiert? Extravertiert? – Warum Labels uns oft mehr schaden als nützen

Offen gestanden: Ich kann mich auch nicht hundertprozentig mit dem Merkmal introvertiert identifizieren. Das ist vielleicht eine gewagte Aussage für jemanden, der die größte Coaching-Plattform mit speziellen Fokus auf ruhige Führungskräfte und Unternehmer:innen im deutschsprachigen Raum betreibt. 😬

Ich sage der Einfachheit wegen, dass ich introvertiert bin. Aber das ist natürlich nur eine Vereinfachung. Wer mich gut kennt, weiß, dass ich auch total quirlig, laut und sprühend vor Energie sein kann. Immer zurückhaltend, beobachtend und nie scharf darauf, auch mal sichtbar zu sein? Nein, das passt nur bedingt zu mir. Ich brenne darauf, Neues zu entdecken und Dinge zu unternehmen. Aber nach einem großen Event, selbst wenn es wunderschön war, brauche ich absolute Ruhe. Ich mag keine riesigen Gruppen und bin auch gern allein mit mir und meinen Gedanken.

👉 Du siehst: Je nach Situation kann man beides sein. Doch als ich jünger war, hat mich diese Schere zwischen laut und leise wahnsinnig frustriert. Statt mich selbst besser zu verstehen, fühlte ich mich durch solche Labels verloren und innerlich zerrissen. Das hat an meinem Selbstvertrauen gekratzt, statt mir die Antworten zu liefern, nach denen ich mich sehnte. 

Schluss mit Schwarz-Weiß-Denken: Vielleicht bist du einfach beides! 

Geht es dir ähnlich? Dann bist du in bester Gesellschaft. Viele Menschen sehnen sich nach einem klaren, stimmigen Bild von sich selbst. Mit Mehrdeutigkeit kommen viele schlecht zurecht. Man fühlt sich widersprüchlich, dabei ist es völlig normal, sich in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich zu verhalten und unterschiedliche Bedürfnisse zu haben.

💡 Die Wahrheit ist:

Die meisten von uns sind weder zu 100 % introvertiert noch zu 100 % extravertiert, sondern eher ambivertiert. 

Wir bewegen uns auf einem riesigen Spektrum. Und die Menschen in der Mitte dieses Spektrums nennt man deshalb ambivertiert. Der Begriff, der schon Anfang des 20. Jahrhunderts vom Psychiater Eugen Bleuler ins Spiel gebracht wurde, beschreibt jene Personen, die eine flexible Balance zwischen den beiden Polen benötigen, um ihre Akkus aufzuladen. Sie beziehen ihre Energie mal aus der Interaktion mit anderen, mal aus der Stille.

Das introvertiert - ambivertiert - extrovertiert Spektrum

Deine Persönlichkeit ist mehr als eine Skala!

Abgesehen von den Begriffen, die wir gerade betrachtet haben, gibt es noch so viel mehr Eigenschaften, die uns ausmachen! 

Bei dem Spektrum zwischen Introversion und Extraversion geht es ausschließlich darum, wie du deinen Energie-Akku auflädst: durch äußere Reize (extra) oder durch innere Einkehr (intro).

Es geht NICHT darum, ob du schüchtern bist, schnell reizüberflutet oder Smalltalk hasst. Das sind alles Stereotype und falsche Zuschreibungen, von denen wir uns dringend verabschieden müssen.

❌ „Du bist introvertiert? Ach, dann hast du ja bestimmt keine Lust, nach der Arbeit noch eine Pizza mit uns zu essen.“

❌ „Du bist extravertiert? Oh, dann hast du in Meetings bestimmt immer den größten Redeanteil.“

Klischees setzen uns unter Druck und hindern uns daran, wirklich den Menschen zu sehen. Du bist ein komplexes Zusammenspiel vieler Merkmale. Dich nur auf eine Dimension zu reduzieren, ist wie ein ganzes Gemälde nur anhand einer einzigen Farbe beschreiben zu wollen.

© disney, giphy.com

So schützt du deine Energie

🔋 Richtig mit den eigenen Energien zu haushalten, ist eine große Herausforderung in unserer hektischen Welt. Wenn du sehr anpassungsfähig bist, läufst du Gefahr, dich ständig zu verausgaben. Hier kommen drei Strategien, um deinen Akku zu schützen:

1️⃣ Kenne deine Wohlfühl-Dosis: Betrachte soziale Energie wie ein Medikament. Eine zu hohe Dosis führt zu einem „social Hangover“, eine zu niedrige hingegen zu Einsamkeit. Finde deine persönliche Dosis. Vielleicht stellst du fest: „Zwei Meetings pro Woche sind super, ab dem dritten werde ich ungenießbar.“

2️⃣ Plane deine Ruhephasen proaktiv: Trage dir „Me-Time“ genauso fest in deinen Kalender ein wie Business-Termine. Am besten tägliche kleine Auszeiten und nicht erst, wenn es zu spät ist.

3️⃣ Unterscheide zwischen Energie-Gebern und Energie-Räubern: Nicht jede soziale Interaktion ist gleich. Ein tiefes Gespräch mit einer guten Freundin kann deinen Akku aufladen. 30 Minuten Smalltalk auf einer Firmenfeier mit Unbekannten können ihn komplett leeren. Wenn du weißt, dass viel Networking auf der To-Do-Liste steht, plane hinterher mehr Erholungszeit ein.

Mit vermeintlich widersprüchlichen Merkmalen und Bedürfnissen umzugehen fällt uns allen nicht leicht. Aber gerade diese unterschiedlichen Töne und Schattierungen machen dich als Person spannend und lebendig.

Also hör auf, dich in eine Schublade zu zwängen, in die du eh nicht passt. Umarme deine Vielseitigkeit. Sie ist kein Widerspruch, sondern vielleicht sogar dein Markenzeichen.

Dein nächster Schritt

Wenn du tiefer in solche Themen eintauchen und lernen möchtest, wie du deine persönlichen Stärken im Job erkennst und nutzt, dann habe ich zwei Empfehlungen für dich:

📩 Abonniere den Still & Stark Newsletter für neue Tools, Updates und Coaching Workshops.

▶️ Folge unserem Podcast auf YouTube.


FAQ: Was muss ich über Ambivertierheit wissen?

Was bedeutet ambivertiert?

Ambivertiert beschreibt Menschen, die in der Mitte des Spektrums zwischen Introversion und Extraversion liegen. Sie vereinen Merkmale beider Persönlichkeitstypen und können ihr Verhalten je nach Situation flexibel anpassen.

Ist es besser, ambivertiert zu sein?

Kein Persönlichkeitstyp ist „besser“ als ein anderer. Der Vorteil von Ambivertierten liegt in ihrer Flexibilität. Studien deuten darauf hin, dass sie oft sehr effektive Kommunikatoren und Führungskräfte sind, da sie sowohl gut zuhören als auch überzeugend sprechen können.

Wie finde ich heraus, ob ich ambivertiert bin?

Achte auf dein Energielevel. Wenn du dich sowohl nach sozialer Interaktion als auch nach Zeit für dich allein sehnst und deine Energie stark von der Situation und den Menschen um dich herum abhängt, bist du wahrscheinlich ambivertiert. Der Test im Artikel kann dir eine gute erste Orientierung geben.

Kann man lernen, ambivertierter oder extravertierter zu sein?

Persönlichkeit ist relativ stabil, aber Verhalten ist flexibel. Ein introvertierter Mensch wird wahrscheinlich nie zum Extravertierten. Aber wir können lernen, Verhaltensweisen der „anderen Seite“ zu trainieren. Introvertierte können z. B. lernen, in Meetings sichtbarer zu werden und Extravertierte können üben, sich mehr Zeit für ihre Innenwelt zu nehmen. Es geht darum, dein Repertoire zu erweitern, nicht deine Grundnatur zu ändern.

Gibt es berühmte ambivertierte Persönlichkeiten?

Obwohl eine Ferndiagnose immer schwierig ist, werden Persönlichkeiten wie Barack Obama oder Oprah Winfrey oft als Beispiele für Ambivertierte genannt. Sie können vor Tausenden von Menschen charismatisch auftreten, betonen aber gleichzeitig, wie wichtig Rückzug und ruhige Reflexion für sie sind.

Schlagwörter: / / / / / / / / / / / / /