Am 1. November letzten Jahres habe ich über meinen “Selbstversuch: Malbücher für Erwachsene” berichtet. Das ist also locker 5 Monate her. Und der Boom geht weiter: Heise Online meldet sogar, dass der Absatz an eBooks zurückgeht und die Verkäufe von Malbüchern für Erwachsene steigt. Alle Achtung!
Immer noch scheiden sich die Geister: Sind Malbücher für Erwachsene nur ein Instagram-Hype, den Möchtegern-Hipster für sich adoptiert haben oder ein echter Gewinn für den Alltag? Mittlerweile habe ich bereits ein Radio-Interview auf SWR1 zu dem Thema gegeben und auch von anderen Bloggern werde ich immer wieder um meine Meinung zum Thema Malbücher für Erwachsene gebeten.
Wie sieht es bei mir aus – war es nur eine kurze Euphorie oder ist es für mich immer noch eine wertvolle Entspannungstechnik?
Kurze Einführung
(für alle die noch keine Erfahrung mit Malbüchern für Erwachsene haben)
- Man braucht keine kreative Ader, denn Ziel ist hier nicht, ein Kunstwerk zu kreiren, das es an die Wohnzimmerwand schafft. Die Erholung steht im Vordergrund.
- Ein wenig Zeit sollte man sich nehmen. Bei mir hört der Kopf nach ca. 20 Minuten auf, Probleme zu wälzen und den nächsten Termin zu planen. Erst danach fange ich an, im Hier und Jetzt zu leben. Das ist mein persönlicher Eindruck, es kann bei jedem anders sein. Empfehlen würde ich, sich eine Stunde Zeit zu nehmen, damit man wirklich etwas davon hat.
- Vorlagen kann man sich im Internet kostenlos ausdrucken oder sich eines der schönen Bücher zulegen, von denen es in den Buchhandlungen und bei Amazon momentan nur so wimmelt. Es werden tatsächlich immer mehr und ich finde, dass die Motive immer besser werden. Statt der üblichen Blütenmeere gibt es nun auch Vorlagen mit den größten Meisterwerke der Malerei oder sogar Malbücher zu Fernsehserien wie Sherlock Holmes (siehe unten)!
- Das Ausmalen von Vorlagen hat denselben Effekt wie Meditation. Ich sehe das rein technisch und gar nicht spirituell. Denn: “Regelmäßige Meditation […] wird des Öfteren in bestimmten Formen auch in der westlichen Medizin als Entspannungstechnik empfohlen. Die Wirkung, der meditative Zustand, ist neurologisch als Veränderung der Hirnwellen messbar. Der Herzschlag wird verlangsamt, die Atmung vertieft, Muskelspannungen reduziert.” (Zitat aus Wikipedia) Das ist, was passiert, wenn du dich mithilfe dieser Technik entspannst. Kein Hokuspokus, sondern medizinische Realität.
Alle Vor- und Nachteile kannst du hier ausführlich nachlesen.
Wie oft habe ich meine Stifte in den letzten 5 Monaten tatsächlich benutzt?
Zuerst gar nicht so häufig. Aus meinem Malbuch habe ich bisher erst 3 Motive ausgemalt. Das hat mehrere Gründe.
- Ich wollte mein Malbuch schonen. Die Motive sind so hübsch, dass ich sie nicht verschwenden wollte. Ja ich weiß, das klingt lächerlich.
- Ich habe vergessen, wie gut es sich anfühlt. Ich hatte meine Malsachen so verstaut, dass ich sie nicht mehr gesehen habe. Wenn ich mich nach Entspannung gesehnt habe, ist mir nicht mehr eingefallen, was ich tun kann.
- Ich hatte schlicht und ergreifend keine Lust.
Fazit:
Wie viele von euch aus meinem Newsletter wissen, hat sich mein Alltag seit Januar drastisch verändert. Ich kann keinen ganzen Tag mehr das Haus verlassen, nur noch stundenweise. Ich bin so ausgelaugt davon, mich den ganzen Tag mit elend langen Recherchen, Anträgen und Formularen herumzuschlagen, dass ich fast schmunzeln muss, wenn ich darüber nachdenke, was ich vorher als “starken Stress” empfunden habe. ;)
Das Wort “unwichtig” bekommt eine ganz neue Dimension. Ich habe nochmals gelernt, wie knallhart ich meine Prioritäten setzen muss und wie gut es tut, nein zu sagen. Und ich bin mir sicher: da geht noch was.
Entspannung und Ausgleich sind in der Prioritätenliste ganz weit nach oben geschossen. Soll heissen: Meine Malbücher liegen nun immer direkt neben mir und ich lege sie gar nicht erst in die Schublade zurück. Seit ich merke, wie leer ich mich an manchen Tagen fühle, bin ich regelrecht süchtig nach kreativem Ausgleich geworden. Ich male, bastele, spraye, zeichne. Sieht nicht unbedingt alles toll aus, aber es hilft.
Was heisst das für dich?
Der Hype um die Malbücher für Erwachsene wird sicherlich noch einige Zeit anhalten. Ich beobachte eher, dass er langsam erst auch an Fahrt hier in Deutschland aufnimmt. Und das finde ich nicht schlecht, denn diese Entspannungstechnik kann bei jedem funktionieren.
Genauso wie Malen wirkt bei mir übrigens auch Kochen. Und zwar richtig aufwändig kochen. Ich habe Freitag 4 Stunden in der Küche gestanden, Nudelteig gewalzt und zu Tortellini geformt. Je einfacher und eintöniger die Tätigkeit, desto eher wirst du dich entspannen. Die Tätigkeit lässt sich nicht beschleunigen und abkürzen und das ist das Gute daran. Ich war richtig erleichtert, dass an dem Abend mein größtes Problem war, einen elastischen Teig herzustellen und nicht die 10 Termine der nächsten Woche. ;)
Also:
Such dir dauerhaft etwas, das dich ausgleicht. Ich vermute, dass die Menschen unter uns, die ohnehin eine kreative Ader haben, sich stärker zum Malen animiert fühlen werden. Aber versuch es! Vergiss nicht, wie wichtig es ist, auf deinen Körper zu hören. Und wenn du spürst, wie kaputt du bist dann zwing dich doch einfach mal dazu, den Fernseher auszulassen. Nimm dir ein Malbuch oder überleg dir ein DIY-Projekt, ganz egal was. Nur unternimm etwas, das dich wirklich beruhigt und regeneriert. Das ist nämlich der große Unterschied: TV und Co. halten dein Hirn beschäftigt aber relaxen können sie nicht.
Weil es viele interessiert, was genau ich benutze, verlinke ich noch einige Tools*, die ich in den letzten Monaten ausprobiert habe und die ich inzwischen sehr gern nutze. Tuschestifte (besonders der PITT Artist Pen von Faber-Castell) sind meine neue Leidenschaft. Leider bin ich als Linkshänder permanent dabei, mich damit einzusauen, aber es sieht trotzdem viel schöner aus als meine Buntstiftkreationen.
Sag mir gern in den Kommentaren, was du schon alles probiert hast! Ganz egal, was es ist.
Wie nimmst du diesen Trend wahr und welche Techniken wendest du erfolgreich bei dir an, um zu entspannen?
*Hinweis: Meine Empfehlungen enthalten teilweise Affiliate-Links. Wenn du über diesen Link ein Produkt kaufst, verdiene ich (natürlich ohne Mehrkosten für dich) ein paar Cent mit. Du kannst dir sicher sein, dass ich nie etwas empfehlen würde, wovon ich nicht 100% überzeugt bin.
Schlagwörter: Achtsamkeit / Alltag / Arbeit / Balance / Entschleunigung / Entspannung / Erholung / Kreativität / Stress
Liebe Melina,
seit über einem Jahr pflege ich meine Mutter – nun ist sie im Endstadium einer Lungenkrankheit (kein Krebs).
Zeit für mich… hmmm… Nein, nicht wirklich, frau darf ja noch arbeiten und für ihren Lebensunterhalt sorgen.
Wenn ich im Zug zur Arbeit fahre dann häkle ich oder versuche zu lesen. Malen wäre schön – aber eigentlich fehlt mir die Kraft mich dazu aufzuraffen. Wenn nun der Frühling Einzug hält gibt es auch im Garten etwas zu tun – das ist sehr eine andere körperliche Anstrengung und macht auch den Kopf frei.
Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft – du schaffst das!
Herzliche Grüße Agate
PS: Dank für die Vorlagen
Liebe Agate,
ich würde dir gern sagen, wie gut ich nachempfinden kann, was du durchmachst. Aber das kann ich wahrscheinlich nicht, denn deine Lage ist sicherlich noch viel schlimmer als meine. Das tut mir sehr leid für dich! Ich wünsche dir und deiner Mutter alles Liebe und hoffe, dass du es trotzdem irgendwie schaffst, dich selbst nicht zu vergessen. :)
Hallo Melina,
ist schon komisch, dass vieles in einen sogenannten Hype ausartet, so dass die Sache an sich sofort die Nation spalten muss. Ich frage mich, ob es einfach den Geist der Zeit widerspiegelt, nämlich, dass einige grundsätzlich erst einmal gegen alles sind.
Ich habe es noch nicht ausprobiert, mal wieder was auszumalen, kann mir aber den Effekt vorstellen. Kennen das nicht viele, das Kritzeln bei einem anstrengendem Telefonat, was zur Folge hat, dass der Stress ein wenig abfällt? Wieso also nicht ausmalen? Bei Kindern sehr deutlich, wie sie von ihrem “Hibbel” beim malen runterkommen. Warum also nicht auch bei uns Erwachsenen? Weil es kindisch ist? Ach Du meine Güte, deswegen soll ich das nicht dürfen und deswegen müssen sich die Gegner lustig machen? Na wenn das deren einzige Sorgen sind, herzlichen Glückwunsch!
Wobei entspanne ich? Eindeutig beim Kochen oder Backen, oder etwas anderes leckeres herstellen (Marmelade, Likör, Eis, Brotaufstriche etc.). Beim Entrümpeln; Ballast abwerfen. Selten beim Zeichnen, obwohl mich das wirklich sehr entspannt, aber da gehts mir wohl wie Dir: ich vergesse, dass es das auch noch gibt. Und dann wechselt es zwischen Meditation, Yoga, Musik hören, Hypnose und Autogenem Training. Je nachdem wonach mir gerade ist. Und ein wichtiger Faktor, wie viel Zeit ich gerade habe. Bei einigen Entspannungsmethoden sind plötzlich ein paar Stunden um, und dann werde ich wirklich hektisch, weil ich noch so viel zu tun hab. Ach ja, eine wirklich nette Entspannungshilfe ist, ein Geschenk für jemand herauszusuchen (beim Ausmisten). Wir haben doch meist viel zu viel Zeug, was zum Wegschmeißen zu schade ist, und zu überlegen, wem das nutzen würde und gleich ein Päckchen fertig machen….sehr befriedigend und für mich auch entspannend.
Alles Gute für Dich Melina, und dass bald wieder etwas mehr Ruhe bei Dir einkehrt.
Vielen Dank für die lieben Wünsche!
Kochen und Backen sind definitiv genial! Ich versuche immer wieder, mich mal am Riemen zu reißen und lieber mal lange für ein schönes, ausgedehntes Essen in der Küche zu stehen statt mich auf die Couch zu werfen und Serien zu gucken. Das entspannt mich tatsächlich viel mehr. Immer wenn ich das tue, werde ich auch früher müde und schlafe besser. ;)
Und Ausmisten ist mein zweiter Vorname, haha. Ich liebe es einfach. Witzig, dass es dir auch so geht. Die meisten in meinem Umfeld sind eher Sammler.
Hallo Melina,
mir ging es ein wenig wie Dir. Ich habe zu Weihnachten ein schönes Malbuch und Strifte geschenkt bekommen, das erste Bild angefangen, war seelig und zufrieden und nach den Feiertagen und dem Urlaub alles erst mal im Schrank verstaut und darüber dann vergessen. Vor ein paar Wochen habe ich Buch und Stifte dann wieder rausgeholt und beides präsent auf dem Tisch liegen damit mir das mit dem Vergessen nicht wieder passiert. Ich finde es echt toll, habe danach nur oft Nackenschmerzen, da ich dazu neige fast in das Bild reinzukriechen (war auch schon früher so, aber Kinder sind scheinbar nicht so anfällig für Nackenschmerzen) :-D.
Und was den Trend angeht, kann ich sagen, dass auch Freundinnne, die mit Social Media und Instagram überhaupt nichts am Hut haben, mittlerweile Malbücher zu Hause haben, weil sie sie in der Buchhaldung gesehen haben und sich ebenfalls an die meditative Wirkung erinnert haben, die das Ausmalen in der Kindheit auf sie hatte. Ansonsten sollen sich gerne alle anderen das Maul zerreißen, ich finde es grandios und frage mich, wieso nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen ist. :-D
Ansonsten erreiche ich Ausgleich und Enstpannung hauptsächlich über Sport und Bewegung an der frischen Luft. Ich nähe auch unfassbar gerne, habe aber festgestellt, dass ich dafür schon eine gewisse innere Ruhe brauche, um überhaupt anzufangen. Das war zur Weihnachtszeit das letzte Mal der Fall, die zwei Tage Wochenende, die einem sonst im Optimalfall zur Verfügung stehen, sind dafür scheinbar schon zu kurz, weil ja doch immer irgendetwas ist. Aber das ist in der Regel auch hausgemacht, ich arbeite auch gerade ein bisschen an der Entrümpelung meines Terminkalenders, um auch mal wieder Raum für Spontanes zu schaffen.
Hallo Katharina,
danke für deinen ausführlichen Kommentar. Das ist ja wirklich interessant! Ich selbst habe den Trend fast ausschließlich über Social Media mitverfolgt. In Geschäften treibe ich mich sehr selten herum und bekomme deshalb wenig mit.
Nähen, da sagst du was. Will ich schon seit Jahren. So viel zum Thema Hemmschwelle, haha. ;)
Toller Beitrag und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ausmalen eine beruhigende und auch gleichzeitig entspannende Wirkung hat. Ich bin leider ziemlich unkreativ was das Kreative angeht, ich werde eher beim Kochen oder mit Worten kreativ. Wenn ich male, male ich oft über die Ränder usw. das frustriert mich dann irgendwann, somit ist es wahrscheinlich nicht das richtige Entspannungstoll für mich!
Kochen entspannt mich total, allerdings nur wenn ich wirklich Zeit dafür habe und es alleine machen kann. Aber auch joggen…das kann mich richtig runter holen!
Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Erfolg, ich finde dich wundervoll!
Liebe Grüße
Jenny
Hey Jenny,
ich bin auch gar nicht begabt, was das Ausmalen von Vorlagen angeht. Bin da eher Grobmotorikerin. ;)
Ich kann viel besser upcyclen oder sprayen. Aber ich mache das mit den Malbüchern trotzdem, weil der Aufwand so gering ist und alles neben meinen Computer passt.
Joggen kann ich auch bestätigen…wenn da nicht immer die Überwindung wäre. ;)
Liebe Grüße,
Melina
“Ich wollte mein Malbuch schonen. Die Motive sind so hübsch, dass ich sie nicht verschwenden wollte.” – das kann ich sooo gut nachvollziehen :D Bescheuert eigentlich, aber so gehts mir auch immer. Die schönen Motive schone ich lieber anstatt sie auszumalen haha.
Liebe Grüße
Caro
Hallo Melina,
es ist wirklich verrückt, wie der Trend auch jetzt noch anhält. Vor einigen Jahren war ich auf der Suche nach einem für mich altersgerechten Malbuch – da gab’s das noch gar nicht! Vor einem Jahr habe ich mir dann endlich eines gekauft. Auch wenn es viel zu selten Verwendung findet, ist es doch ein schönes Gefühl, es alle paar Monate aus dem Regal zu nehmen, die Buntstifte zu spitzen, einen warmen Tee neben sich stehen zu haben und während des Malens einem spannenden Hörbuch zu lauschen. Entspannung pur!
Viele Grüße
Isabelle