Die Angst vieler Menschen vor Kritik ist verständlich: Denn mit kritischem Feedback umzugehen ist nicht immer einfach. Auch, wenn das Feedback konstruktiv und sachlich formuliert wurde. Es trifft uns eben trotzdem. Und das ist völlig menschlich!
Doch es kann uns auch zum Verhängnis werden, wenn wir uns zu stark von der Meinung anderer abhängig machen und zu hohe Ansprüche an uns selbst stellen. Dann lassen wir uns von Kritik blockieren und behindern uns in unserer eigenen Entwicklung. Ohne Kritik gibt es kein Wachstum – das gilt für alle im Team und nicht nur für die Person, die sie betrifft. Und: Richtig Kritisieren und mit Kritik umgehen zeugt von großer innerer Stärke!
Darüber spreche ich heute mit Isabell Prophet. Sie hat zwei großartige Bücher geschrieben: „Wie gut soll ich denn noch werden?“* und „Happy Monday!: Von der Kunst, seinen Job zu lieben”*.
Weil das Thema Kritik üben und annehmen so vielschichtig ist, bildet dieser Artikel den Start einer zweiteiligen Serie.
Dieser Artikel und die Podcastfolge 44 beschäftigt sich mit der inneren Arbeit:
😓 Warum verletzt uns Kritik?
❤️ Wie können wir zu negativen Gefühlen Abstand gewinnen?
🚀 Wie können wir an Kritik wachsen?
In Folge 45 geht es dann ums Kritisieren an sich:
👫 Wie kritisieren wir so, dass die andere Person ihr Gesicht wahren kann?
🗯 Muss überhaupt alles angesprochen werden?
💡 Was macht eine gute Feedback-Kultur aus?
👉 oder: Springe zum Webplayer
Die Highlights aus Folge 44: Impulse für einen gesunden Umgang mit Kritik
Warum Kritik ist wichtig ist, bringt Brené Brown wunderbar auf den Punkt:
“When we stop caring about what people think, we lose our capacity for connection. When we become defined by what people think, we lose our willingness to be vulnerable. If we dismiss all the criticism, we lose out on important feedback, but if we subject ourselves to the hatefulness, our spirits gets crushed. It’s a tightrope, shame resilience is the balance bar, and the safety net below is the one or two people in our lives who can help us reality-check the criticism and cynicism.”
– Brené Brown in Daring Greatly*
Diese Impulse helfen dabei, unsere Emotionen besser zu managen und das Geschenk in gerechtfertigter Kritik zu erkennen:
#1 Die eigenen Gefühle beobachten
👉 Wir empfinden kritisches Feedback oft als kränkend. Sogar, wenn es höflich formuliert wurde. Das ist normal, denn in diesem Moment wird uns schlagartig bewusst, dass unser Gegenüber nicht dasselbe Bild von unserem Verhalten oder unserer Arbeit hat wie wir selbst.
Das kann schmerzen und diese Gefühle sind vollkommen menschlich. Kritikfähig zu sein bedeutet nämlich nicht, dass alles an uns abperlt. Wir dürfen lernen, negative Gefühle auch mal auszuhalten, denn sie gehören zum Leben dazu. Sie sagen nicht unbedingt etwas über unsere Kritikfähigkeit aus.
Beispiel: Als Autorinnen sind Isabell Prophet und ich bis zu einem gewissen Grad Freiwild. Jeder kann unsere Bücher lesen – und natürlich auch kritisieren. Vieles ist nett und geht runter wie Öl – manches aber eben auch nicht. Das können wir nicht ändern, es liegt außerhalb unserer Kontrolle. Und natürlich trifft uns manches mehr als uns lieb ist. Aber das ist in Ordnung. Wir sind Menschen.
Entscheidend ist: Was machen wir mit unseren Emotionen?
Manche Personen gehen direkt in den Verteidigungsmodus über und achten dadurch nicht mehr auf den Wert der Sachinformation. Andere schlucken die Kritik hinunter und tragen über Tage oder Wochen die negativen Empfindungen mit sich herum. Beides kann ein Problem sein.
#2 Sich Abstand zur Kritik verschaffen
👉 Tipp 1: Nachfragen, was gemeint ist. Isabell empfiehlt, sich erstmal eine kurz Pause zu verschaffen und durchzuatmen. Führungskräfte haben es natürlich am liebsten, wenn man die Kritik brav schluckt und direkt verwertet. Doch es ist sehr wichtig, nachzufragen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Erst dann gewinnen wir Klarheit und haben die Chance, das Feedback auch anzunehmen!
Zeit ist ein Schlüsselfaktor im Verarbeiten von Kritik, weil sie hilft, die erste Emotionslawine zu bewältigen. Es ist auch okay, erstmal nur zuzuhören und später nochmals nachzufragen. Mitunter ist man im ersten Moment so perplex, dass einem gar nichts einfällt.
👉 Tipp 2: Manchmal sind wir so aufgewühlt, dass wir uns nur schwer beruhigen können. Dann hilft das Aufschreiben besonders. Einfach erstmal alles raus aus dem Kopf! Und dann kann man mit den folgenden Fragen beleuchten, welcher Wert sich hinter der Kritik verbirgt:
Was sagt diese Kritik über mich selbst?
Was sagt sie über die Senderin oder den Sender?
Worum geht es überhaupt, was ist der Sachinhalt?
Es kann auch helfen, sich mit einer unabhängigen dritten Person darüber zu unterhalten, wie sie das Feedback einordnet. Wichtig ist, dass sie selbst in einer unabhängigen Beziehung zur kritisierenden Person steht. Sonst besteht die Gefahr, sich lediglich gemeinsam aufzuregen statt sich auf die Sachebene zu konzentrieren.
„Ich habe gelernt, meine Gefühle unter solchen Umständen genau zu beobachten, aber ich versuche sie nicht allzu ernst zu nehmen, weil ich weiß, dass bloß mein Ego verletzt wurde – niemals meine Seele. Es ist nur mein Ego, das auf Rache sinnt oder den wichtigsten Preis gewinnen will. Es ist nur mein Ego, das einen Twitterkrieg gegen einen hasserfüllten Kommentator anfangen oder über eine Beleidigung schmollen oder in gerechtem Zorn aufgeben will, weil ich nicht das gewünschte Ergebnis erzielt habe.“
– Elizabeth Gilbert in Big Magic*
#3 Ansprüche an sich selbst hinterfragen
👉 Viele Menschen kommen schlecht mit Feedback zurecht, weil sie viel zu hohe Ansprüche an sich selbst haben und sich keine Fehler erlauben. Hier lohnt es sich ganz genau hinzuschauen:
Wer spricht da gerade, die kritisierende Person oder meine innere kritische Stimme?
Selbstkritik ist eine Art der Kritik, die von innen kommt. Und sie ist wichtig! Doch manchmal kann sie sehr destruktiv werden. Dann finden wir uns plötzlich in Gedankenschleifen wieder, in denen wir uns wegen unserer Fehler selbst Vorhaltungen machen und uns demontieren.
👉 Eine gesündere Art, mit negativen Emotionen und der kritischen inneren Stimme umzugehen, ist Selbstmitgefühl zu entwickeln.
Ich habe während eines Studienkurses an der University of California, Berkeley, eine wunderbare Übung erlernt, die eine enorme Wirkung entfaltet. Sie stammt von der Forscherin Kristin Neff, die als Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der Universität von Texas in Austin arbeitet. Klick einfach auf den folgenden Link, dort stelle ich dir die Übung vor – sie ist super einfach und schnell anwendbar! Übung: Selbstmitgefühl statt Leistungsdruck.
Folge 44 im Webplayer
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Links zu Podcastfolge 44: Kritikfähigkeit üben
🔗 Mehr über Isabell und ihre Arbeit: Zur Website
📖 Buch von Isabell Prophet: „Wie gut soll ich denn noch werden?“*
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Timon und Melina
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Schlagwörter: Achtsamkeit / Arbeit / Erfolg / Introversion / Kommunikation / Mindset / Persönlichkeit / Psychologie / Selbstbewusstsein / Selbstvertrauen / Sensibilität
Das ist ein ganz toller Blogpost. Ich habe beim Lesen viel genickt. Gerade bei Rezensionen kann ich ja selbst ein Lied von singen. Am Anfang haben die schlechten mich auch immer sehr getroffen und ich hab mich als die schlechteste Autorin der Welt gefühlt. Inzwischen habe ich akzeptiert, das es kein Buch gibt, das nicht mindestens eine schlechte Rezension hat und das man eben nicht allen gefallen kann. Selbst meine absoluten Lieblingsbücher, die ich einfach perfekt finde, haben manchen Menschen nicht gefallen. Unvorstellbar, nicht wahr? :) Und dein Buch ist toll, macht vielen Menschen Mut und war sehr hilfreich zu lesen.
Liebe Grüße
Julia
Danke Julia, dein Kommentar zu diesem Thema bedeutet mir wirklich viel! Du hast schon so viele gute Bücher veröffentlicht und bestimmt ist es ein Prozess, bis man wirklich über den Dingen stehen kann. :)
Mach weiter so!
Liebe Melina,
“Es ist besser, für das, was man ist, gehasst, als für das, was man nicht ist, geliebt zu werden.” – den Spruch finde ich super! Werde ich mir merken.
Bei mir ist es so, dass ich ungerechtfertigte Kritik manchmal einfacher zu ertragen finde als gerechtfertigte. Wenn ich mir sicher bin, dass das, was man mir vorwirft, nicht stimmt, kommt es nicht so an mein Herz heran. Zutreffende Kritik hingegen “trifft” mich mehr, weil ich zu Perfektionismus neige und deshalb nur ungern etwas falsch mache. Aber da arbeite ich an mir und versuche einfach offen zuzugeben, dass etwas schief gelaufen ist.
Ich habe übrigens am Donnerstag Dein Buch gekauft und bin schon sehr gespannt darauf. Ich plane auch eine Rezension auf meinem Blog zu schreiben. Aber auf alle Fälle eine faire ;)
Viele Grüße,
Stefanie
P.S.: Ich finde die “Typewriter”-Schriftart auf Deinem Blog super. Deshalb habe ich sie kürzlich für ein Fotobuchprojekt genommen.
Hi Stefanie,
ja klar, konstruktive Kritik kann auch total wehtun. Da kann ich deinen Gedankengang gut nachvollziehen. Mich trifft beides gleichermaßen und es ist fast egal, ob nett oder nicht nett geäußert. Deswegen konnten mich früher so gut wie alle Personen verletzen, selbst wenn sie mich nicht kannten. Bei der konstruktiven Kritik fällt es mir leichter erstmal zu sagen: “Danke, ich denke darüber nach.” Ich will ja unbedingt dazulernen, darum muss ich auch Kritik annehmen können. Bei der unfairen ist es etwas anders. In der Vergangenheit fiel es mir äußerst schwer zu unterscheiden, ob die Kritik nun angebracht war oder nicht, ich habe alles aufgesaugt und internalisiert und das ist gefährlich!
Liebe Grüße,
Melina
P.S.: Jaaa, die Typewriter Schrift ist toll! Ich liebe das auch total. Ich hatte mich damals von dem Packaging bei “& other Stories” inspirieren lassen.
Hallo Melina,
Ich folge dir schon länger auf Instagram und durchforste gerade deinen Blog. Ich finde ihn sehr übersichtlich. Die Beiträge sind ordentlich, nicht zu lang und nicht in “Blockstill“ geschrieben.
Manche Kritik perlt bei mir ab, weil siw mir einfach nicht wichtig vorkommt. Andere nehme ich mir viel zu sehr zu Herzen, auch weil sie manchmal stimmt oder auch nicht. Aber ich habe auch viel zu große Ansprüche an mich, die ich nicht einhalten kann.
Liebe Grüße
Kathrin
Hi Kathrin,
vielen Dank für dein Lob zu meinem Blog!
Ich glaube auch, dass es so wie du sagst einen Zusammenhang gibt zwischen den eigenen Ansprüchen und unsere Reaktion auf Kritik. Wenn wir in uns ruhen, können wir vieles anders bewerten.
Liebe Grüße,
Melina
Liebe Melina,
“nur tote Fische schwimmen mit dem Strom”, das hat mein Vater mir schon früh beigebracht. Leider konnte ich es häufig noch nicht umsetzen. Mir hilft es häufig, wenn ich mir sage, dass das Problem, welches ein anderer mit mir hat, ja eigentlich seins ist. Insbesondere wenn der Mensch mich nicht wirklich kennt. So wie es mein Problem ist, wie ich damit umgehe. Einfach gesagt, schwierig in der Umsetzung, aber mit konstantem Üben ist es wirklich möglich. Mach weiter wie bisher. Mir helfen deine Texte immer wieder und es ist schön so offen darüber zu lesen. Zeigt einem, dass man mit all dem Synapsenfasching nicht alleine ist:-) Liebe Grüße, Ina
Ja so ist es, nur mit viel Übung kommt das Selbstvertrauen. Und nebenbei: “Synapsenfasching” ist ja mal ein geniales Wort! DANKE ?
Hallo Melina, ein sehr interessanter Artikel.
Heute ist es umso wichtiger, mit unfairer Kritik umgehen zu können, weil immer mehr öffentlich ausgetragen wird.
Wenn man in der Öffentlichkeit steht, sei es auch nur über soziale Medien, ist es ganz normal, Kritik abzubekommen.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich von meiner Natur aus sehr entspannt und eher humoristisch damit umgehen kann. Denn manchmal muss ich einfach nur lachen, wenn mich jemand als Coach ungeeignet findet, weil meine Beine zu lang und dünn sind oder ich das falsche Auto fahre usw.
Bodo Schäfer hat mal in einem seiner Vorträge sinngemäß gesagt, egal was du machst, dich werden immer ca. 1/3 der Menschen mit denen du zu tun hast hassen, 1/3 sind neutral und 1/3 sind deine Fans.
Das erste Drittel kannst du nicht verändern, also konzentriere dich auf das Drittel deiner Fans und begeistere dadurch das neutrale.
Dir einen guten Start in die Woche.
Viele Grüße
Dirk
Hallo Dirk,
das mentale “Schaubild” mit den Dritteln finde ich sehr hilfreich, danke dafür! Und ja, Humor ist wenn man trotzdem lacht. Manches ist einfach zu lächerlich, um ernst genommen zu werden.
Dir auch einen schönen Wochenstart!
Melina
Ich schreibe für einen internationalen Konzern Artikel im Intranet, die auf Deutsch und Englisch veröffentlicht werden und kommentiert werden dürfen. In den englischen Kommentaren stehen meist Sachen wie: thank you so much for this information, it really helped me to do my work. In den deutschen dagegen: mecker mecker mecker mecker (meist von Männern übrigens, so viel zum Thema Sexismus ;-)) Es ist auch manchmal ein bisschen deutsch, zu meckern, zu beleidigen und klugzuscheißen. Das hilft mir auch dabei, das nicht so ernst zu nehmen. Toller Artikel, Melina. Vielen Dank für deine Denkanstöße, das ist umheimlich wertvoll.
Hi Christiane,
“thank you so much for your kind words, you really made my day!”
Weißt du, was witzig ist? Ich finde es sogar selbst leichter, wertschätzende und erbauende Worte auf Englisch zu formulieren. Woran liegt das? Ich bin an manchen Tagen auch so ein kleingeistiger Miesepeter, aber ich bekomme es mittlerweile schneller mit und kann an meiner positiven Attitüde arbeiten. ? Auf jeden Fall sehr spannende Beobachtung von dir, das kann ich mir gut vorstellen!
Liebe Grüße,
Melina
Liebe Melina,
danke für diesen Artikel. Ich habe ihn mir gerade zum zweiten Mal durchgelesen, weil ich deine Haltung sehr bewundere. Vor allem den Punkt, nicht zurückzuschießen… das ist schon hart, wenn man heftig attackiert wird. Aber es stimmt schon: Es bringt ohnehin nichts.
Ich neige ja aus Angst vor unfairer Kritik dann dazu, lieber unsichtbar zu bleiben und kann das nur ganz langsam ändern (aber es wird ;-)). Da trifft dein Zitat “Es ist besser, für das, was man ist, gehasst, als für das, was man nicht ist, geliebt zu werden.” jetzt natürlich voll ins Schwarze. ;-) Wichtig ist es sicher auch, dass wir positives Feedback wieder stärker kultivieren, darüber hattest du ja auch schon geschrieben. Denn ein wenig Lob und Verständnis hilft auch dabei, mit den unfairen Zwischentönen besser umzugehen. :) Genau das mache ich jetzt: Danke für deine Offenheit und deine tolle Seite!
Liebe Grüße
Sonja