Autoritäres, dominantes Auftreten wird heute noch oft als wichtige Eigenschaft einer Führungskraft verstanden. Es soll Respekt einflößen und Stärke suggerieren. Doch Lautstärke und Stärke sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Heute braucht es vielmehr einen Kommunikationsstil, der Offenheit und Emotionen zulässt.

Vielleicht verbindest du Führung bisher mit Dominanz und Lautstärke. Aber Führung ist so viel mehr als das. Du musst nicht laut sein, um ein Vorbild für andere zu sein und zur Führungskraft oder erfolgreichen Unternehmer:in aufzusteigen!

Wie empathische Führung aussehen kann, zeigt uns Unternehmerin Vera Strauch. Sie hat 10 Jahre in der Baubranche gearbeitet und war bereits mit unter 30 Jahren Geschäftsführerin. Heute leitet sie die Female Leadership Academy, wo sie Frauen zu empathischen Leaderinnen ausbildet.

Im Still & Stark Podcast erklärt Vera, wie du als introvertierte, sensible Person eine erfolgreiche Führungskraft wirst. Du kannst dir den Podcast auf deiner Lieblingsplattform anhören oder hier das Transkript vom Interview lesen. Viel Freude!

Das erfährst du im Interview mit Vera Strauch:

❌ Warum Dominanz out ist
🤝 Was gute Führung wirklich ausmacht
🖤 Welche Leadership Eigenschaften Vera bei ruhigen Menschen sieht

Wie leise Menschen erfolgreich führen – Interview mit Vera Strauch

Melina Royer: Würdest du dich selbst als leise oder eher laute Person beschreiben, Vera?

Vera Strauch: Ich glaube, ich bin einfach ein vielseitiger Mensch und deswegen bin ich beides. Ich bin gerne ruhig, abhängig davon, mit wem ich zusammen bin, und genieße auch meine Zeit für mich. Gleichzeitig gibt es Momente, in denen ich ganz extrovertiert bin. Die ganze Palette zu bespielen, macht mir Freude. Es hängt sehr vom Setting, den Menschen um mich herum und meiner Stimmung ab.

Melina Royer: Wann bist du zum Beispiel sehr outgoing?

Vera Strauch: Das ist vor allem in vertrauten Umfeldern der Fall. Mit bestimmten Freunden etwa. Als Kind war ich sehr extrovertiert, aber mit der Zeit hat sich das gewandelt. Ich habe meine introvertierte Seite besser kennengelernt. Viele Menschen haben dieses Spektrum in sich, das, soweit ich weiß, noch relativ wenig erforscht ist. Extraversion und Introversion schließen sich nicht unbedingt aus.

Jeder Mensch hat introvertierte und extravertierte Seiten

Melina Royer: Genau. Man kann sich das wie eine Skala vorstellen. Niemand ist ausschließlich am einen oder anderen Ende; es ist nicht so, dass man entweder in dem einen oder dem anderen Korb ist. Es ist eher eine Skala, und wir alle bewegen uns irgendwo dazwischen. Ich bin jemand, der sehr im introvertierten Bereich ist. Aber es gibt viele, die ambivertiert sind und beides in sich tragen. Auch ich kann in meinem engen Kreis sehr aufgedreht sein, während ich im Jobumfeld sehr zurückhaltend bin und mich frage, ob ich alles richtig mache.

Wie ist das bei dir? Du hast, wenn ich richtig informiert bin, in der Baubranche angefangen. War das dein erster Job nach dem Studium?

Vera Strauch: Ja, ich bin schon während meines ersten Studiums in die Bauindustrie reingerutscht. Ich wollte unbedingt ein duales Studium an einer speziellen Hochschule machen und habe mich bei den Kooperationsunternehmen beworben. Es hat besonders gut gepasst und so bin ich schon im Studium in die Branche gekommen. Später war ich auch im Ausland und in der Wissenschaft tätig, habe aber meinen Weg in der Bauindustrie konsequent weiterverfolgt.

Melina Royer: Was meinst du mit konsequent?

Vera Strauch: Ich wurde sehr gefördert und bin den sich ergebenden Weg gegangen, habe aber auch eigene Vorstellungen eingebracht und viele Chancen genutzt. Zuletzt habe ich als Geschäftsführerin in einem Tochterunternehmen gearbeitet, weil ich noch operativer tätig sein wollte. Ich habe viel strategische Arbeit geleistet, war in Referentenpositionen und dadurch bei Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen dabei. Ich durfte in Zürich und Hamburg in einem globalen Konzern arbeiten, habe viele Einblicke gewonnen und bin viel gereist. Dann wollte ich weg vom Schreibtisch und strategischen Aufgaben und stattdessen aktiv werden. Das habe ich drei Jahre lang in einem Bauzulieferer-Unternehmen mit Werken in Norddeutschland gemacht, bevor ich mich entschied, etwas anderes zu machen und mehr Sinn in meiner Arbeit zu suchen.

Melina Royer: Das klingt spannend. Ist es ein Klischee oder tatsächlich so, dass die Baubranche eine männerdominierte Branche ist?

Vera Strauch: In den Führungsetagen jeder Branche sind Männer dominant, das gilt auch für Medien und Beauty. In der Baubranche ist die gesamte Pyramide, also vom Unterbau bis zur Spitze, klar männlich geprägt. Natürlich gibt es auch Frauen, aber das Bild ist eindeutig männlich.

Hürden und Herausforderungen in männerdominierten Branchen

Melina Royer: Welche Herausforderungen hat es für dich bedeutet, in einer männerdominierten Branche zu arbeiten? Hattest du das Gefühl, dich besonders anstrengen zu müssen, um dich durchzusetzen oder ernst genommen zu werden?

Vera Strauch: Interessanterweise empfand ich das nicht so, obwohl ich diese Frage häufig gestellt bekomme. Ich habe in der Baubranche sehr gerne gearbeitet und fühlte mich in den verschiedenen Unternehmen, mit Kunden sowie Lieferantinnen und Lieferanten, stets wohl. Die Menschen dort haben eine klare und direkte Art, die mir zusagt und mit der ich gut zurechtkomme.

Gleichzeitig ist es natürlich so, dass die Arbeitswelt insgesamt stark auf Anpassung und Funktionieren ausgerichtet ist. Dies ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Es liegt nicht an der Organisation an sich, sondern an den verschiedenen Umfeldern und Rollen, die mir begegnet sind. Als jemand, der sehr sensibel ist und ein gutes Gespür für Stimmungen hat, habe ich die Freiheiten, aber auch die Erwartungshaltungen gespürt – besonders, wenn ich mehr Verantwortung übernehmen und meinen eigenen Weg gehen wollte.

Anfangs habe ich viel Energie darauf verwendet, mich anzupassen, oft unbewusst. Mit der Zeit habe ich mich jedoch davon emanzipiert und festgestellt, dass es auch gut funktioniert, mich selbst mehr einzubringen. Ein Beispiel, das ich gerne anführe, ist die Kleidung: Zuerst orientierte ich mich daran, was andere tragen, um nichts falsch zu machen. Später erkannte ich jedoch, dass das Umfeld auch davon profitiert, wenn ich mehr ich selbst bin und mir das erlaube.

Es geht also nicht darum, mich so anzupassen, dass ich funktioniere und erfolgreich bin, sondern darum, dass mein authentisches Selbst das Umfeld bereichert. Diese Erkenntnis konnte ich zunehmend in meinem Handeln umsetzen und habe viel aus diesen Herausforderungen gelernt.

Ein weiteres großes Thema ist der Mangel an Vorbildern. In homogenen Umfeldern fehlen oft die Orientierungspunkte für jemanden, der eher Diversität repräsentiert. Das Fehlen von Vorbildern macht es zu einem kreativen Akt, sich einzubringen, ohne sich zu sehr zu verbiegen. Dies ist nicht nur eine äußerliche, sondern vor allem eine innere Angelegenheit. Es erfordert Anstrengung und kostet alle Beteiligten Kraft, aber es ist auch ein Prozess, der das Umfeld letztlich bereichert.

Sensibilität und Verletzlichkeit als Führungseigenschaften

Melina Royer: Du hattest eben kurz erwähnt, dass du ein sensibler Mensch bist. Siehst du Empathie und die Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, die anderen vielleicht verborgen bleiben, als eine Stärke, die man im Berufsleben nutzen kann?

Vera Strauch: Absolut, das Thema Sensibilität finde ich faszinierend. Oft habe ich den Eindruck – und das ist eine Beobachtung, keine fundierte Forschung –, dass Männer, mit denen ich arbeite, dazu neigen, ihre Sensibilität zu unterdrücken. Es kann unangenehm sein, schlechte Stimmungen oder Unzufriedenheit zu spüren, denn es fordert einen zum Handeln auf. Es scheint manchmal einfacher zu sein, einfach zu funktionieren, ohne auf diese Empfindungen einzugehen. Aber ich habe festgestellt, dass ich ein sehr feinfühliges Gespür für Menschen und die Energie in einem Raum habe. Wir alle besitzen diese Sensibilität, ich glaube, ich hatte sie mir zeitweise abtrainiert, um besser zu funktionieren – und das hat auch geklappt.

Irgendwann begann ich, mir diese Sensibilität zurückzuerobern und zu erlauben. Als Unternehmerin habe ich gelernt, dass Sensibilität ein wertvolles Geschenk ist. Es bedeutet nicht, dass ich alles persönlich nehme oder bei jedem Problem in Tränen ausbreche. Ich spüre zwar, aber ich kann entscheiden, wie ich mit diesem Gefühl umgehe. Es war ein großer Lernprozess für mich, eine gesunde Grenze zu ziehen, ohne meine Sensibilität zu verlieren.

Melina Royer: Ich kenne das auch von mir. Viele sehen Sensibilität jedoch als Belastung und nicht als Geschenk. Ich arbeite daran, die positiven Seiten zu erkennen. Manchmal ist es anstrengend, all die Schwingungen aufzunehmen, aber andererseits ist es ein Segen, denn als Führungskraft kann man diese Eigenschaft wunderbar einsetzen.

Vera Strauch: Was mir sehr geholfen hat, war ein Buch von Andrea Brackmann, das mir in einer Weiterbildung empfohlen wurde. Es geht um Hochsensibilität und Hochbegabung, ein Thema, das mich sehr fesselt, obwohl es stark stigmatisiert ist. Es wird oft mit Kindern in Verbindung gebracht, aber es betrifft auch viele Erwachsene. Es kann eine starke Verbindung zwischen besonderen Fähigkeiten und Hochbegabung geben. Was ich früher als störend empfand, erkannte ich als ein enormes Potenzial. Es geht nicht darum, besser als andere zu sein, sondern darum, sich dem eigenen Potenzial zu nähern und zu verstehen, dass es vielleicht mehr ist, als nur schnell Matheformeln zu lösen. Es war eine spannende Reise, mich damit auseinanderzusetzen.

Warum es für gute Führung wichtig ist, Normen zu hinterfragen

Melina Royer: Was hat dir geholfen, von dem Gefühl „es belastet mich und nervt nur“ zu „ich kann damit etwas anfangen und es bringt mich sogar weiter, wenn ich es richtig nutze“?

Vera Strauch: Also ich glaube, dass einer der wichtigen Punkte ist, wirklich wieder dieses, diese doofe Norm zu hinterfragen, weil es keine Norm gibt. Und es ist nicht so, dass ich verkehrt bin. So habe ich ganz lange, ohne mir das bewusst zu machen – also es war jetzt nicht so, dass ich mir gehadert habe und gedacht habe, Mensch Vera, du hast so viele Interessen und du bist manchmal auch, glaube ich, schneller im Kopf als andere – also das war es gar nicht.

Sondern es ist eher, die Leute sind mir zu langsam, oder mir geht das nicht schnell genug. So viele kleine Sachen, das habe ich mir nicht bewusst gemacht, aber ich glaube, unbewusst waren da ganz viele Punkte, wo ich einfach immer gedacht habe, oh, es kostet mich so viel Kraft, mich da so reinzufügen in ein Meeting, richtig langsam das Gefühl in Babysprache nochmal zu erklären und dann zu begreifen, dass ich nicht verkehrt bin, weil das so ist.

Ich bin anders und es ist okay, wenn ich mal diese Kraft aufwende, weil es auch ein Zeichen ist von Respekt und Kommunikation und wie ich das Miteinander gestalten möchte und dann zu realisieren, dass in dem großen Ganzen nicht der eine gut, der andere schlecht, ich verkehrt oder ein bisschen weniger passend als die anderen bin, sondern wir alle in unserem Miteinander so unterschiedlich sind und ich da total rein passe, weil ich auch anders und unterschiedlich bin und deswegen hat mir diese Reise, das so zu entdecken, also gerade Sensibilität und auch tatsächlich auch dieses Begabungsthema, das hat mich total interessiert, gerade wenn ich mich nicht so passend fühle, dann kann ich das allen, die zuhören und denen das so geht, empfehlen, sich damit zu beschäftigen.

Es ist sehr, sehr gut, dass wir dieses große Thema angeschnitten haben, weil das genau das ist, womit auch sehr viele Frauen gerade zu kämpfen haben, dass man eigentlich schon weiß, ich bin qualifiziert und mir fallen bestimmte Dinge wirklich leicht und ich merke, da ist etwas, was ich sehr gut kann, wo ich viel Potenzial habe, aber warum merken die das denn nicht, dass das so ist? Warum bemerkt keiner, dass ich das gut kann oder wie kann ich das besser einbringen und auch für mich nutzen und auch für mich vielleicht abzulehnen und noch mehr anzupassen? Das ist ja so ein Spannungsfeld, in dem man sich dann bewegt und auch immer hofft, ja, hoffentlich bemerken die anderen, dass ich diese Fähigkeit habe, aber ja, irgendwie traut man sich auch irgendwie nicht, dann doch aus dem Rahmen zu fallen. Das ist ja immer so eine Schwierigkeit.

Melina Royer: Ich finde es interessant, das eine ist das, was sich in meinem Inneren abspielt und was ich zum Beispiel sehr schnell begreife oder was ich sehr klar sehe, die anderen aber gar nicht. Die anderen verstehen noch gar nicht das Problem und ich habe eigentlich schon drei Lösungen im Kopf. Das ist das eine, was sich in mir abspielt und das überhaupt erstmal so einen ersten Schritt finde ich anzunehmen und für mich zu realisieren, du hast das Problem verstanden, du hast Ideen für die Lösung, du würdest jetzt gerne über die Lösung diskutieren.

Was mir geholfen hat, ist die bewusste Entscheidung, in bestimmten Momenten anders zu kommunizieren. Es ist wichtig, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Der erste Schritt besteht darin, das eigene Innere zu verstehen – es nicht abzulehnen, sondern anzunehmen. In unterschiedlichen Situationen kann man dann dieses Verständnis nach außen tragen.

Im zweiten Schritt geht es darum, im Außen zu agieren: zu überlegen, wie ich meine Absichten umsetzen und die gewünschte Wirkung erzielen kann. Dies führt zu der Frage, wie ich anders wahrgenommen werden oder noch mehr von dem zeigen kann, was in mir steckt.

Vera Strauch: Und da finde ich es auch interessant und auch vollkommen losgelöst von Begabungs- und Sensibilitätsthemen zu verstehen, dass ich auch ganz viele verschiedene Ich-Zustände in mir habe und dass da auch neben einer vielleicht eher schüchternen, zurückhaltenden Vera, vielleicht einer ist, die halt auch ein bisschen forscher oder klarer ist oder ist vielleicht auch eine, die sehr selbstbewusst auftreten kann.

Und die spannende Frage, finde ich, die mich sehr beschäftigt und die mir große Freude bereitet ist, wie kann ich es schaffen, diese Zustände dann rauszulassen, wenn sie für mich wirkungsvoller sind als das, was vielleicht so reflexhaft passiert in der Konstellation, weil da irgendwie der CEO vor mir steht und ich überhaupt nicht weiß, wie ich mit diesen Menschen umgehen soll und ich verfall dann in so ein angepasstes Kind irgendwie. Da sind auch noch andere Veras in mir und das so herauszufinden, was brauchen die, damit die in der Situation kommen können, das ist sehr spannend.

Wo man Vorbilder und Mentor:innen findet

Melina Royer: Hattest du Vorbilder oder Mentoren, die dir auf deinem Weg viel geholfen haben?

Vera Strauch: Tatsächlich gibt es Menschen, und ich kenne vor allem viele Männer in meinem Freundeskreis, die sehr proaktiv sind. Sie rufen jemanden an, den sie irgendwann einmal getroffen haben – jemanden, bei dem ich zögern würde, weil ich denke, ich möchte die Person nicht stören – und bitten um Rat für ein aktuelles Problem. Solche Leute gibt es, und sie machen das gerne. Ich selbst habe das leider nicht so erlebt.

Melina Royer: Mir geht es ähnlich. Allerdings habe ich mir vorgenommen, solche Beziehungen zu pflegen, vielleicht nicht auf eine nehmende Weise, aber auf eine, die beiden Seiten etwas bietet. Wenn ich zum Beispiel interessante Menschen für meinen Podcast interviewe, bemühe ich mich, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Es ist ein Geben und Nehmen. Natürlich gelingt das nicht immer, und es liegt auch außerhalb meiner Komfortzone. Aber ich habe erkannt, dass es etwas Schönes ist, wenn man sich wieder meldet und Dankbarkeit zeigt oder um Rat fragt. Das wird oft als Geschenk empfunden, besonders von denen, die es vielleicht nicht erwarten.

In Bezug auf Mentor:innen hatte ich nie das Gefühl, jemanden in dieser Rolle zu haben. Rückblickend gab es aber viele Menschen, die diese Funktion erfüllt haben. Es waren nicht nur ältere Herren oder Damen, sondern auch Gleichaltrige oder etwas Ältere, die mich geprägt und unterstützt haben. Ich bin sehr dankbar für diese Begegnungen. Auch wenn diese Menschen nicht lange in meinem Leben waren, waren sie ein großes Geschenk. Ich möchte den Kreis des Mentorings weiter fassen und finde es sehr bereichernd.

Ich habe auch viele inspirierende Menschen in Büchern und Podcasts gefunden, auch wenn ich sie nie persönlich getroffen habe.

Melina Royer: Wer zum Beispiel?

Vera Strauch: Es gibt so viele unterschiedliche. Kürzlich habe ich Gunter Schmidt interviewt, der viel über Ich-Zustände und Hypnosystemik spricht. Er ist ein Pionier auf seinem Gebiet, und seine Arbeit resoniert stark mit mir. Sein Ansatz ist respektvoll und nicht so zeitaufwendig wie manche psychotherapeutische Methoden, was ich in meiner Arbeit im Coaching und in der Beratung sehr gut anwenden kann. Solche Personen wie Gunter Schmidt oder öffentliche Figuren wie Oprah Winfrey haben mich stark bereichert.

Es ist ideal, wenn man im beruflichen Umfeld jemanden hat, der einen fördert. Aber nicht jeder hat das Glück. Daher ist es wichtig, das Konzept von Mentor:innen breiter zu fassen. Jede Person, von der du ein Buch liest oder einen Podcast hörst, kann dir wertvolle Erfahrungen vermitteln. Das Internet und Social Media bieten vielfältige Möglichkeiten, von unterschiedlichen Menschen zu lernen.

Es ist nicht notwendig, nur eine Person als Mentor:in zu haben. Wir sind vielseitig und unsere Beziehungen sind es auch. Es kann belastend sein, zu viel von einer Beziehung zu erwarten. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, teile aber nicht unbedingt ihre gesamte Weltanschauung. Unsere Beziehungen sind ein Geflecht, das unser Leben bereichert. Dieses Geflecht zu erkennen, entspannt unsere Erwartungen und reduziert den Druck auf einzelne Beziehungen, sei es als Mentor:in oder in jeder anderen Form.

Führung beginnt bei dir selbst

Melina Royer: Wir haben jetzt viel über das Thema Selbstakzeptanz gesprochen, darüber, dass man erst einmal wahrnehmen sollte, was überhaupt da ist und dass es okay ist, so zu sein, wie man ist. Würdest du sagen, dass Selbstakzeptanz auch schon dieser erste Schritt ist, um zu sagen, dass es eine Leadership-Fähigkeit ist?

Vera Strauch: Absolut. Brene Brown macht ja ganz tolle Sachen dazu, unter anderem definiert sie einen Leader als jemanden, der den Mut und die Kraft hat, das Potenzial in Menschen und Prozessen zu erkennen und zu fördern. Es geht darum, das Beste aus ihnen herauszulassen und daran zu arbeiten. Das erfordert eine besondere Art von Stärke, nicht im Sinne von Härte oder Tough-Sein, sondern die innere Kraft, sich mit Ängsten auseinanderzusetzen, auch mit der Angst vor Verlust. Beispielsweise könnte jemand, den man entwickelt hat, das Team verlassen oder sogar besser werden als man selbst in bestimmten Bereichen. Diese Unsicherheiten auszuhalten, fällt vielen Menschen schwer, und genau hier zeigt sich wahre Leadership.

Leadership bedeutet, in der Lage zu sein, mit diesen Herausforderungen umzugehen, und das beginnt immer bei einem selbst. Ich entkopple den Begriff von Positionen oder Funktionen und beziehe ihn darauf, dass wir, besonders in einer sich schnell wandelnden Welt, starke innere Strukturen brauchen. Wir benötigen Menschen, die Verantwortung übernehmen können, zunächst für sich selbst. Durch Vorbildfunktion und die Gestaltung des Miteinanders ergibt sich dann eine gesellschaftliche Veränderung. Es geht nicht darum, Leuten zu erzählen, wie toll sie sind, sondern darum, ehrlich zu sich selbst zu sein, das eigene Potenzial zu erkennen und zu nutzen. Das macht einen Unterschied, nicht nur für einen selbst, sondern auch für das, was mit anderen passiert.

Melina Royer: Das finde ich total schön, weil ich glaube, dass viele zurückhaltende und manchmal schüchterne Menschen beim Wort Leadership sofort abschrecken. Sie denken, sie seien keine Leitwölfe, aber Leadership ist so viel mehr, wie du auch gesagt hast. Vielleicht gehört dazu, anstatt selbst voranzugehen und den Ton anzugeben, die Fähigkeit, gut zu moderieren. Es geht darum, die Talente und Fähigkeiten jedes Teammitglieds zu erkennen und zu fördern. Das ist eine enorme Fähigkeit, die viele zurückhaltende Menschen besitzen, die aber denken, sie müssten als Leader im Rampenlicht stehen, was gar nicht der Fall sein muss.

Vera Strauch: Nein, überhaupt nicht. Und die Bühne verändert sich auch. Wenn ich verstehe, dass ich das, was passiert, gestalten kann, sei es durch eine Beförderung oder ein Angebot, dann erkenne ich, dass ich viel bewirken kann. Es geht nicht darum, im Rampenlicht zu stehen, sondern darum, das Miteinander behutsam und einfühlsam zu gestalten, sei es im Einzelgespräch oder in Gruppenrunden. Schönheit im Miteinander zu schaffen, ist eine Mission von mir, weil ich erlebt habe, wie oft das nicht der Fall ist. Menschen, die ein Gespür für Schönheit haben, können die Atmosphäre verändern, weg von der tristen Beleuchtung und Einrichtung von Konferenzräumen. Ein schönes Miteinander zu schaffen, setzt eine Tonalität, die beeinflusst, wie wir miteinander umgehen, auch in schwierigen Zeiten. Es geht um menschliche Schönheit, nicht um Oberflächlichkeit. Das schafft eine Bühne, die jeden willkommen heißt, so wie er ist, und die Vielfalt fördert, damit sich jeder nicht nur selbst akzeptieren, sondern auch entwickeln und verändern darf.

Deinen eigenen Führungsstil entwickeln

Melina Royer: Ich sehe das genauso. Es ist oft eine Herausforderung, insbesondere für Menschen, die von Natur aus viel geben. Man erreicht manchmal einen Punkt der Frustration, weil man das Gefühl hat, trotz aller Bemühungen nichts zurückzubekommen. Würdest du sagen, dass dies ein Problem des Fokus ist?

Vera Strauch: Interessanter Punkt. Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Wenn die Liebe auch mich selbst einschließt und ich das schaffe, verändert sich die Art des Gebens. Ich erreiche diese Punkte der Erschöpfung regelmäßig, gerade weil ich mich nicht mit eingeschlossen habe. Das ist ein klares Zeichen. Auch wenn ich weiß, wie man gut Nein sagt, fällt es mir manchmal schwer, das auch umzusetzen. Daran arbeite ich ständig. Wenn ich zu oft Ja sage, auch in Momenten, in denen ich eigentlich Nein sagen sollte, merke ich, wie mir das zum Verhängnis wird. Dann fühle ich mich leer, obwohl ich weiterhin viel Liebe in meine Arbeit, mein Team und die Zusammenarbeit mit anderen stecke. Es gibt Momente, in denen ich das Gefühl habe, das ist unfair. Diese Momente zeigen mir, dass ich die Verantwortung übernehmen muss, denn es sind Entscheidungen, die ich selbst getroffen habe. Aus ihnen kann ich lernen und jetzt im Hier und Jetzt andere Entscheidungen treffen, klare Grenzen setzen. Das ermöglicht es mir, anderen auf eine andere Art zu geben. Wenn mein eigenes Glas nicht voll ist, kann ich eine Weile durchhalten, anderen viel zu geben, aber das ist auf Dauer nicht erfolgreich.

Melina Royer: Stimmt, das ist nicht nachhaltig. Aber um bei deinem Bild zu bleiben, wie füllst du dein Glas wieder auf?

Vera Strauch: Ich brauche vor allem Zeit für mich. Das umfasst sowohl Zeit allein als auch Zeit mit nahestehenden Menschen. Gerade jetzt spüre ich, wie sehr ich das persönliche Zusammensein vermisse. Es ist etwas, das ich brauche, um Energie und Inspiration zu sammeln, und das lässt sich durch digitale Mittel nur begrenzt ersetzen. Auch die Natur und das Reisen, um neue Eindrücke zu gewinnen, sind wichtig für mich. Das fehlt mir momentan sehr. Daher beschränke ich mich darauf, die begrenzte Zeit mit den Menschen, die ich sehen kann, zu genießen und Ruhe für meine kreativen Projekte zu finden, die oft zu kurz kommen. Wenn der Tag voller Termine ist, bleiben solche Dinge liegen, und das vermisse ich, denn es gibt mir sehr viel.

Melina Royer: Das kann ich gut verstehen. Wir könnten sicherlich noch lange weiterreden… Am besten beim Female Leadership Podcast weiterhören an, oder?

Vera Strauch: Ja, das würde mich freuen. In meinem Female Leadership Podcast sprechen wir über viele relevante Themen. Wer mehr erfahren möchte, kann sich die Folgen anhören oder mein Online-Programm besuchen.

Melina Royer: Kannst du uns noch kurz etwas zu deinem Online-Programm erzählen? Worum geht es da?

Vera Strauch: Das Kernstück meiner Female Leadership Academy ist ein fünfwöchiges Programm. Ich begleite Menschen in ihren beruflichen Rollen – ob als Führungskraft, auf dem Weg dorthin oder noch in der Orientierungsphase. Es geht darum, innere Klarheit zu schaffen und dann Schritt für Schritt Veränderungen in der Außenwelt vorzunehmen, insbesondere in der Kommunikation und der Organisation. Dies geschieht durch tägliche Begleitung, Videos und persönliche Unterstützung.

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👉 Kontakt zu Vera und Podcast: Der Female Leadership Podcast von Vera Strauch

Fotocredits Titelbild: Ines Marquet

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